Magazine of Fantasy and Science Fiction 19 - Welt der Illusionen
»In einem Omelett?«
Ich nahm noch einen Schluck Tee mit Rum. »Ihnen ist bestimmt aufgefallen, Mrs. Moswell, daß die angegebenen Mengen geradezu winzig sind. Alle Rezepte enthalten nur homöopathische Dosen verschiedener Zusätze. In dem Rezept wird auch erwähnt, daß die erforderliche Jodmenge bereits garantiert ist, wenn Sie jodhaltiges Salz gebrauchen. Trotzdem entsteht aus winzigen Mengen Jod und Weinstein bei entsprechenden Temperaturen in dem Eigelb etwas Provin. Diese Menge genügt bereits, um die Körperzellen etwa einen Monat lang zu aktivieren. Sobald Sie monatlich einmal ein Omelett nach diesem Rezept essen, bleiben Sie ewig jung.«
»Wirklich, Mister Smeed, das kann unmöglich Ihr Ernst sein ...«
»Mrs. Moswell, würden Sie bitte einen Blick auf das hier werfen?«
Ich reichte ihr die Geburtsurkunde. Sie war vom vielen Vorzeigen ausgefranst und schmutzig, bestätigte aber noch immer durchaus lesbar, daß Ripley Smeed am vierzehnten August achtzehnhundertachtundneunzig in Bagby County, Nebraska, auf die Welt gekommen war. »Das ist meine Geburtsurkunde, Mrs. Moswell«, sagte ich.
»Aber dann wären Sie ja ... hmm ... neunundsechzig Jahre alt.«
»Ganz recht.«
Mrs. Moswell lachte ehrlich erheitert, und ich stellte plötzlich fest, daß sie mir wirklich sympathisch war. »Neunundzwanzig wäre ungefähr richtig, nehme ich an«, sagte sie. Jedenfalls stand fest, daß sie nicht leicht hereinzulegen war. Ich würde behutsam vorgehen müssen.
»Bitte glauben Sie mir, Mrs. Moswell«, sagte ich drängend. »Ich habe nicht gelogen. Ich bin wirklich neunundsechzig. Provin hat mich jung gemacht. Es kann auch sie jung machen!« Ich konnte nur hoffen, daß ich nicht allzu gefühlvoll geworden war. Mir fiel auf, daß ich einen kleinen Schwips hatte. »Noch vor vier Jahren, Mrs. Moswell«, sagte ich, »hätten Sie nicht an meinem Alter gezweifelt. Ich war fünfundsechzig und sah wirklich so aus. Meine Arterien waren verkalkt und mein Herz pfiff wie ein durchlöcherter Teekessel. Ich hatte nur noch sechs eigene Zähne und kein Haar mehr auf dem Kopf. Das war vor nur vier Jahren.
Aber dann begann ich, meinem Omelett kleine Mengen Weinstein und Jod zuzusetzen, und würzte jedes Schnitzel mit einem Tropfen Sojasauce und zwei oder drei Tropfen eines bestimmten Haarwassers. Seitdem ich mich an diese Diät halte, hat sich mein scheinbares Alter jährlich um ein ganzes Jahrzehnt verringert. Ich sehe wie ein Dreißigjähriger aus und fühle mich auch wie einer. Und jeder andere kann es ebenfalls. Auch Sie , Mrs. Moswell.«
Sie lachte mich nicht aus. »Und wie haben Sie diese Wunderdroge entdeckt, Mister Smeed?«
»Nun, wir wußten von Anfang an, daß Provin durch eine Kombination verschiedener Wirkstoffe entsteht, und haben deshalb lange Versuchsreihen mit dem Ziel unternommen, selbst Provin ›herzustellen‹ oder zumindest seine Entstehung zu fördern.«
Sie schenkte mir Tee nach, bevor sie wieder sprach. Sie erinnerte mich an Miß Beiderbeck, meine frühere Englischlehrerin. »Sie haben ›wir‹ gesagt«, meinte sie dann. »Soll das heißen, daß Sie nicht allein arbeiten, Mister Smeed?«
Langsam und vorsichtig, dachte ich. Hier hast du unsicheren Boden unter den Füßen. Jetzt hängt alles von der richtigen Wortwahl ab. »Nur gemeinsam mit meiner Frau«, antwortete ich. »Sie hat die Versuche gemacht und dabei entdeckt, wie sich unsere Nahrung mit Provin anreichern läßt. Mein einziger Beitrag besteht daraus, möglichst vielen davon zu erzählen – aber dabei bin ich noch nicht sehr erfolgreich gewesen. Die Öffentlichkeitsarbeit verschlingt eine Menge Geld. Ich hoffe nur, eines Tages jemand zu finden, der genügend Geld hat, um einen großen Werbefeldzug zu finanzieren.«
»Ja, natürlich. Aber woher wußte Ihre Frau, daß dieses ›Provin‹ existiert, Mister Smeed, so daß sie sich veranlaßt sah, diese Versuche zu beginnen?«
Ich holte tief Luft, bevor ich antwortete. Wir hatten schon fast den Punkt erreicht, an dem Mrs. Moswell zu der Überzeugung kommen konnte, ich sei nur ein harmloser Irrer – oder gar ein gemeingefährlicher Verrückter. »Sie hatte lange Jahre nur von Nahrungsmitteln gelebt, die Provin enthielten«, antwortete ich. »Dann mußte sie plötzlich ohne dieses Mittel auskommen. Sie wußte, daß sie altern würde, falls es ihr nicht gelang, Provin zu beschaffen, und begann deshalb mit ihren Experimenten. Die Versuche dauerten Jahrzehnte. Als sie endlich ein brauchbares Verfahren
Weitere Kostenlose Bücher