Magazine of Fantasy and Science Fiction 20 - Mord in der Raumstation
bißchen verändert, aber du siehst auch nicht mehr wie früher aus«, sagte Joe eines Abends zu Clem. »Richtig, die Sache hat sich bei ihm ganz ähnlich ausgewirkt. An dem bewußten kritischen Tag hat er ebenfalls erstaunlich viel Gewicht verloren; später hat er wie du rasch wieder zugenommen. Ich möchte nur wissen, wen von euch beiden ich früher gekannt habe, Clem. Er erinnert sich noch an verschiedene Kleinigkeiten, von denen du keine Ahnung hast; du weißt andererseits Dinge, an die er sich nicht erinnern kann; und, der Teufel soll euch holen, ihr sprecht gelegentlich beide von Ereignissen, die nur mir und einem, nicht aber zwei Männern bekannt sein dürften.
In den letzten Monaten scheint dein Gesicht etwas rundlicher geworden zu sein, während sein Gesicht fast hager wirkt. Ihr seht euch noch immer ähnlich, aber die Ähnlichkeit ist weniger verblüffend als früher.«
»Ich weiß«, antwortete Clem. »Da die Psychoanalytiker mir nicht mehr helfen können, beschäftige ich mich selbst mit diesem Gebiet und habe dabei einen alten Trick gelernt. Ich nehme zwei gleiche Fotografien von mir, schneide sie auseinander, so daß vier Gesichtshälften entstehen, und setze sie spiegelbildlich zusammen. Eine der beiden Aufnahmen muß natürlich von der Rückseite des Negativs kopiert sein. Auf diese Weise entstehen zwei Gesichter, die etwas verschieden sind. Kein Mensch hat ein völlig ebenmäßiges Gesicht, dessen beide Hälften gleich sind. Diese verschiedenen Gesichter stellen angeblich zwei Aspekte der Persönlichkeit dar. Ich studiere mich seit einigen Wochen selbst und habe dabei festgestellt, daß ich einer dieser Konstruktionen ähnle; deshalb muß er der anderen ähnlich sehen. Er hat doch erwähnt, daß er manchmal Auseinandersetzungen mit Veronica hat, nicht wahr? Und daß beide nicht verstehen, was daran schuld sein könnte? Ich begreife es auch nicht.«
Clem lebte bescheiden, gewöhnte es sich jedoch an, mehr als früher zu trinken. Er beobachtete sein zweites Ich mit Hilfe seines Freundes Joe und anderer Mittel. Und er wartete. Dies war das merkwürdigste Geschäft, mit dem er je zu tun gehabt hatte, aber er war früher nicht oft bei einem Handel hereingelegt worden.
»Er ist auch nicht schlauer als ich«, behauptete Clem. »Aber wenn er wirklich ich ist, kann man ihn nicht gerade als Dummkopf bezeichnen. Was würde er wohl an meiner Stelle tun? In gewisser Beziehung ist er ja dort.«
Clem vertrieb sich die langen Abende damit, daß er trank, brütete und auf irgend etwas wartete, und auf einem dieser Streifzüge durch verschiedene Kneipen landete er in der Two-Faced Bar & Grill . Trotz des anspruchsvollen Namens war das Lokal winzig und deshalb auch gemütlich; der Besitzer, Tony ›Gentleman‹ Terrel, bediente seine Gäste selbst. Er hatte eben eine Flasche vor Clem auf den Tisch gestellt, als ein anderer Mann sich Clem gegenüber niederließ.
»Warum hat Matthäus zwei Esel?« fragte der Mann plötzlich.
»Matthäus wer?« erkundigte Clem sich. »Wovon sprechen Sie überhaupt?«
»Natürlich von Kapitel einundzwanzig, Vers eins bis neun«, antwortete der Mann. »Die anderen Evangelisten haben nur einen Esel. Ist Ihnen das schon einmal aufgefallen?«
»Nein«, antwortete Clem.
»Hmmm. Und warum hat Matthäus zwei Besessene? Können Sie mir das erklären?«
»Was?«
»Kapitel acht, Vers achtundzwanzig bis vierunddreißig. Die anderen Evangelisten haben nur einen Verrückten.«
»Vielleicht war zuerst nur einer verrückt und hat irgendeinen harmlosen Mitmenschen zum Wahnsinn getrieben.«
»Durchaus möglich. Oh, Sie wollen mich auf den Arm nehmen. Aber warum hat Matthäus zwei Blinde?«
»Hol mich der Teufel, wo passiert denn das?« erkundigte Clem sich.
»Kapitel neun, Vers siebenundzwanzig bis einunddreißig, aber auch Kapitel zwanzig, Vers neunundzwanzig bis vierunddreißig. In beiden Fällen haben die anderen Evangelisten nur einen Blinden. Warum verdoppelt Matthäus so viele Dinge? Es gibt auch noch andere Beispiele dafür.«
»Vielleicht hätte er eine Brille gebraucht«, meinte Clem.
»Nein«, flüsterte der Mann. »Er war einer von uns, glaube ich.«
»Von welchen ›uns‹ sprechen Sie eigentlich?« wollte Clem wissen. Aber er vermutete bereits, daß sein Fall keineswegs einzigartig war. Vielleicht gab es einen Menschen in einer Million, der unter einem ähnlichen Schicksal litt? Dann mußte es im ganzen Land ein paar hundert Menschen dieser Art geben, die sich wahrscheinlich
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