Magazine of Fantasy and Science Fiction 22 - Im Angesicht der Sonne
mich. Ich komme in ungefähr dreißig Minuten.«
»Weißt du bestimmt, daß du das schaffst?« fragte Susan besorgt.
»Bestimmt!« versicherte er ihr. »Eine der Turmstützen hat Klettersprossen bis ganz oben, nicht wahr?«
»Richtig, bis ganz oben«, bestätigte ich, »aber das hilft Ihnen nicht weiter. Selbst wenn Sie es fertigbrächten, in der Minute drei Meter zu klettern, wären Sie auf dieser Stütze noch immer gute zwölf Meter von der Ladeplattform und dem Aufzug entfernt.«
»Führt nicht ein Gitterwerk aus Trägern zur Plattform hinüber?«
»Nicht direkt.«
»Zeichnen Sie mir die Anordnung auf.«
Ich machte eine rasche Skizze. »Die Querträger liegen natürlich weit unter Wasser, aber bei dem jetzigen Wellengang sind sie wahrscheinlich manchmal frei.«
»Das ist schlecht.«
»Genau. Sie schaffen es ohnehin nicht, Tim. Selbst wenn Sie sich noch so gut angepaßt haben, können Sie nicht ununterbrochen die Luft anhalten, während Sie nach oben klettern. Dazu bräuchten Sie ein Atemgerät, aber das ist praktisch unmöglich, weil der Sauerstoffbedarf mit sinkendem Druck zunähme.«
»Wie kommen Sie darauf, daß ich die Luft anhalten will? Ich fülle statt dessen die Lungen mit Wasser. Susan, holst du mir eine dieser Filtermasken? Bevor man Meerwasser einatmet, muß man die Schwebestoffe herausfiltern.«
»Bring uns zwei Masken, Susan«, warf Walter Pope ein. »Ich begleite ihn. Keine Widerrede, Tim. Die Kletterpartie über die Träger ist bestimmt nicht einfach. Wir schaffen es leichter, wenn wir zu zweit sind und uns anseilen.«
»Okay, einverstanden.« Tim betrachtete nachdenklich meine Zeichnung. »Wir biegen also am zweiten Träger rechts ab. Wie kommen wir dann auf die Plattform hinauf?«
»Dort sind wieder Klettersprossen angebracht. Woher wissen Sie, daß Sie Ihre Lungen mit Wasser füllen können?«
»Was glauben Sie? Wir haben es in den letzten Tagen mehrmals versucht. Es ist anfangs gar nicht leicht.«
Ich hatte bereits von Mäusen und Hunden gelesen, deren Lungen mit sauerstoffhaltigem Wasser gefüllt worden waren, aber daß Menschen dazu imstande sein sollten – selbst diese Menschen –, war doch fast unglaublich.
Susan kam mit den Filtern zurück – normale Gesichtsmasken mit einem Einsatz aus Mull.
»Sind Sie noch da, Pete?« fragte Tim.
»Ja, ich höre.«
»Halten Sie einen Erste-Hilfe-Kasten bereit.«
»Wir haben schon für alles gesorgt.«
»Wie sieht er jetzt aus?«
»Bisher unverändert.«
»Okay. Treffen wir uns auf der Plattform?«
»Wird gemacht. Wir kommen zu zweit. Die Plattform steht wahrscheinlich meistens unter Wasser, deshalb legen wir Anzüge an.«
»Richtig. Rechnen Sie die halbe Stunde von jetzt an, aber lassen Sie etwas Spielraum – sagen wir fünfundzwanzig bis fünfundvierzig Minuten. Falls wir bis dahin nicht angekommen sind, ist irgend etwas schiefgegangen, und Sie müssen sich selbst um Stokes kümmern. Susan berät Sie dann telefonisch.«
Tim Saybolt und Walter Pope schlüpften in das Gurtzeug, an dem das Seil befestigt war, das die Verbindung hinter ihnen herstellen sollte. Sie griffen nach ihren Masken, nickten uns kurz zu und verschwanden durch eine Luke im Fußboden.
Wir blieben sitzen und wechselten ernste Blicke. Uns war klar, daß die beiden sich freiwillig in Lebensgefahr begeben hatten. Jake Kepper holte mir eine Wolldecke und Kaffee für alle. Offenbar hatten sie sich diese in der Marine weitverbreitete Unsitte noch nicht abgewöhnt. Kurze Zeit später erklärte Susan uns, sie müsse mindestens ein Fachbuch über Kardiologie durcharbeiten, um Pete Swain notfalls beraten zu können; mit dieser Begründung verließ sie den Raum. Als ich merkte, daß Jake und Gerd nur aus Höflichkeit bei mir blieben, um mir Gesellschaft zu leisten, behauptete ich, nun etwas Schlaf vertragen zu können, was übrigens stimmte.
Sechs Stunden später kam Jake an meine Koje und rüttelte mich wach.
»Ist es schon morgens?«
»Ja, der Uhr nach. Fast fünf, und das Frühstück steht auf dem Tisch. Walter ist bereits zurück.«
»Sie haben es geschafft? Das hätte nicht passieren dürfen – ich hätte nicht einschlafen dürfen, ohne ihren Bericht abzuwarten.«
»Für einen Neuling in dieser Tiefe haben Sie sich gut gehalten«, versicherte Jake mir. »Ja, sie haben es geschafft, aber es war ganz gut, daß sie angeseilt waren. Die Träger waren mit einer glitschigen Schicht überzogen. Walter kann Ihnen alles Weitere erzählen.«
Walter erzählte nicht
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