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Magazine of Fantasy and Science Fiction 22 - Im Angesicht der Sonne

Magazine of Fantasy and Science Fiction 22 - Im Angesicht der Sonne

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 22 - Im Angesicht der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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einer raschen Bewegung.
    Dann war er tot, ohne zu der Erkenntnis gelangt zu sein, daß es niemals einen guten Grund zum Sterben gibt.

Der Eilige
    (Time was)
     
Phyllis Murphy
     
     
    Barney war wirklich nett. Er fehlt mir noch immer. Auch die Kinder haben ihn noch nicht vergessen, glaube ich.
    Wenn ich die Ereignisse nachträglich in Ruhe betrachte, wird mir klar, daß unser gemeinsames Leben nicht aus Leidenschaft so hektisch war. Barney hatte es einfach nur eilig. Er hatte es immer eilig. Das fällt mir zuerst ein, wenn ich an ihn zurückdenke.
    Bevor ich recht zur Besinnung kam, waren wir bereits verheiratet, hatten die Flitterwochen hinter uns, wohnten in einem hübschen Haus auf Long Island, hatten einen Zweitwagen in der Garage stehen und erwarteten ein Baby. »Wir dürfen keine Zeit vergeuden«, stellte Barney gelegentlich fest, wenn er wieder einmal auf dem Sprung zur Tür war. Er stand nicht gern irgendwo untätig herum.
    Wenn Barney einmal fünf Minuten übrig hatte, nützte er sie bestmöglich aus. Er legte seine Kleidung für die kommende Woche bereit oder sortierte die Papiere in seiner Aktentasche oder notierte sich etwas auf seinem Notizblock oder putzte sich die Schuhe. In zehn Minuten konnte er den Wagen blitzblank waschen oder in den Keller gehen und ein halbes Bücherregal bauen. Er war erstaunlich. Er richtete sich beispielsweise alles so ein, daß er nie unnütz die Treppe hinauf- oder herunterlaufen mußte. Er kam morgens herunter, ging abends hinauf und machte zwischendurch nur einen oder zwei Abstecher nach oben, bei denen er sich mit allen Dingen belud, die er an ihren Platz zurückbringen wollte.
    Im Vergleich zu ihm kam ich mir wirklich wie eine schreckliche Verschwenderin vor. Ich weiß nicht mehr, wie oft er mir Vorträge über angeblich oder tatsächlich vergeudete Sekunden gehalten hat. »Wir leben schließlich nur einmal«, pflegte er dabei zu sagen, »deshalb müssen wir das Beste daraus machen.« Ich habe ihn oft enttäuscht, fürchte ich, aber ich habe mir wirklich Mühe gegeben. Wahrscheinlich fehlte mir eben die nötige Begabung dazu. Schon die Überlegung, wodurch wieder Zeit zu sparen wäre, kostete mich so viel Zeit, daß mir keine Zeit mehr blieb, die ich hätte sparen können.
    Ich erinnere mich noch an die schreckliche Zeit, als Barney ein Buch über den Schlaf las. Der Autor muß geistig mit ihm verwandt gewesen sein, denn er behauptete, Schlaf sei Zeitverschwendung und bei entsprechendem Training völlig überflüssig.
    Barney beschloß daraufhin, in Zukunft nachts nur noch vier Stunden zu schlafen, und er begann sofort mit dem Training. Er kam mit geschwollenen roten Augen und Brummschädel zum Frühstück herunter. Aber gab er es etwa zu? Man brauchte ihn nur zu fragen: »Bist du nicht müde, Barney?«
    »Natürlich nicht! Wie kommst du darauf?«
    »Oh, ich weiß nicht. Mir ist nur aufgefallen, daß du mich nicht finden konntest, als du mir einen Kuß geben wolltest.«
    »Mir geht es gut, ausgesprochen gut.« Und damit war der Fall erledigt.
    Ich nahm an Barneys Training teil – aber nicht etwa freiwillig. Er mußte sich schließlich mit irgend etwas beschäftigen, solange er wach war, und er sorgte dafür, daß ich ebenfalls nicht schlafen konnte, indem er hämmerte und sägte und Schallplatten hörte, während ich las oder mir uralte Filme im Fernsehen ansah. Nach einiger Zeit wurde ich krank, und der Arzt empfahl mir vor allem Ruhe. Ich dachte schon, Barney würde nun seine verrückte Masche aufgeben, aber er ließ sich etwas anderes einfallen. Er verwendete einige seiner schlaflosen Stunden dazu, unser Schlafzimmer schalldicht auszukleiden, so daß ich schlafen konnte, selbst wenn er noch soviel Lärm machte.
    Ich muß zugeben, daß sein Training erfolgreich war, obwohl damit einige Nebenwirkungen verbunden waren. Barney kam allmählich mit vier Stunden Schlaf aus und war morgens nicht mehr benommen. Aber er alterte jetzt sehr schnell, und sein Blick wurde seltsam starr.
    Ich vermutete jedenfalls nichts Schlimmes, als Barney eines abends hereinstürzte, mir mit einer Broschüre zuwinkte und nach oben in sein Arbeitszimmer lief. Er hatte es sich angewöhnt, gleich am Schreibtisch zu essen, um Zeit zu sparen, und sein Tablett stand schon bereit. Als ich es hinaufbrachte, zeigte er mir die Broschüre, in der ein Schnellesekurs angepriesen wurde. Ich hatte Barney noch nie so aufgeregt gesehen. »Stell dir das vor!« sagte er zu mir. »Damit kann man sechs Zeitungen

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