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Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit

Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 23 - Am Tag vor der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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langsam.

Der Sozialhelfer
    (How I take their measure)
     
K. M. O'Donnell
     
     
    »... Sollte sich die bisherige Entwicklung fortsetzen, ist im Jahr 2000 jeder entweder angestellter Sozialhelfer oder Sozialhilfeempfänger. Ich sehe keine andere Möglichkeit als diese beiden Gruppen. Denken Sie nur an die Statistiken ...«
    Abteilungsleiter
    New Yorker Wohlfahrtsamt
    Januar 1964
     
    Ich mußte fünf Treppen hinaufsteigen, um zu diesem Kerl zu kommen. Eine verdammt anstrengende Sache, das können Sie mir glauben. Diese altmodischen Mietskasernen sind wirklich halsbrecherisch – besonders die Treppenläufer. Sie sind mindestens hundert Jahre alt und verflucht rutschig. Aber ich will mich gar nicht beklagen. Schließlich hat jeder Job seine Nachteile.
    Ich klopfte mehrmals an seine Tür und hörte drinnen eine Stimme, die irgendwelche Beschwerden murmelte. Immer wieder die gleiche Sache; sie stehen nicht gern aus dem Bett auf. Nach einiger Zeit klopfte ich nicht mehr, sondern schlug mit beiden Fäusten gegen die Tür und schickte ein paar saftige Flüche hinterher. Es hat keinen Zweck, ihnen die Illusion zu lassen, sie hätten die Oberhand.
    Das wirkte besser. Die Tür öffnete sich weit genug, um einen Kopf und schmale Schultern zu zeigen. Er war ein kleiner Mann mit hellen, wachen Augen und etwas jünger, als ich dem Fragebogen nach vermutet hätte.
    »Was wollen Sie?« fragte er. Mürrisch. Vorsichtig. Die übliche Reaktion.
    Ich zeigte ihm meinen schwarzen Ordner in der linken und meinen Dienstausweis in der rechten Hand. »Ich komme von der Regierung. Wir bearbeiten Ihren Antrag, und ich habe Ihnen einige Fragen zu stellen.«
    »Ich habe den Antrag erst gestern eingereicht. Ich dachte, die Bearbeitung dauerte eine Woche.«
    »Das Verfahren hat sich etwas geändert. Wir versuchen die noch schwebenden Anträge aufzuarbeiten und einen neuen Stau zu vermeiden.« Das stimmte nicht ganz; sein Antrag hatte mich nur sofort interessiert, als er auf meinem Schreibtisch landete. Dieser Fall war selbst für jemand mit meiner vielseitigen Erfahrung außergewöhnlich.
    »Gut, kommen Sie herein«, forderte er mich auf und öffnete die Tür. Ich ging hinein. Das Appartement war der reinste Schweinestall. Wirklich unglaublich, wie diese Leute leben. Abfälle in jeder Ecke, Zeitungen auf dem Boden, Fettflecke an den Wänden. Und so weiter. Einfach unentschuldbar.
    Er hatte meinen Blick verfolgt. »Ich bin demoralisiert«, sagte er. »So sieht es meistens aus, wenn die äußerliche Unordnung sich dem innerlichen Chaos anzupassen beginnt.«
    Großmaul. Ich nickte kurz, schlug meinen Ordner auf und trat vorsichtigerweise in die Mitte des Zimmers, um das Interview zu beginnen. Man setzt sich nie dorthin, wo diese Leute gesessen haben. Und man paßt ganz automatisch auf Ratten und Insekten auf. Das gehört zur Ausbildung.
    »Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen«, begann ich. »Zuerst – Name, Adresse und so weiter entsprechen Ihren Angaben auf unseren Fragebogen, nicht wahr? John Steiner, sechsunddreißig Jahre alt, wohnhaft hier.«
    »Das steht alles auf dem Antrag. Es ist gestern aufgenommen worden.«
    »Aber wir müssen uns davon überzeugen, daß wir es tatsächlich mit dem Antragsteller zu tun haben«, sagte ich. »Manchmal schicken uns die Leute einen anderen, der sich für sie ausgibt, und lassen ihn das Blaue vom Himmel herunterlügen. Wir müssen die Interessen der Öffentlichkeit wahrnehmen.« Bevor er zur Besinnung kam, holte ich mein Stempelkissen aus der Tasche, klappte den Deckel auf, nahm sein Handgelenk, drückte seinen Daumen in die Farbe, nahm den Abdruck auf Papier ab und steckte alles wieder ein. »Alles nur Routine«, erklärte ich ihm.
    »Es paßt zu den übrigen Verfahren«, behauptete er. »Die völlige Entpersönlichung des Individuums – das ist das Ziel. Haben Sie nicht einmal genug Achtung vor einem Mitmenschen, um mir zu sagen, was Sie vorhaben?«
    »Manche wehren sich dagegen«, antwortete ich. »Sie wissen genau, daß sie auf diese Weise erwischt werden.« Ich blätterte meinen Ordner durch, bis ich zu seinem Antrag kam, und verglich die Personenbeschreibung mit dem Mann vor mir; beide stimmten einigermaßen überein. »Beantworten Sie mir nur ein paar Fragen«, fuhr ich fort.
    »Stört es Sie, wenn ich mich setze?«
    »Sind Sie krank? Können Sie nicht stehen? Sind Sie müde?«
    »Keineswegs«, wehrte er ab. »Ich sitze nur lieber, wenn ich angesprochen werde.«
    »Wenn Sie krank genug sind,

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