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Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition)

Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition)

Titel: Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Lachauer
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und zu den einsam gelegenen kleinen Höfen bauen, damit die Schüler per Bus abgeholt und in die Zentralschule gebracht werden konnten.
    Wie auch immer, unsere Tage hier oben waren gezählt. Nach sieben Jahren im Dorf hätte Konrad ein Anrecht darauf gehabt, in die Stadt versetzt zu werden, nach Freiburg, Lörrach oder Müllheim. Doch das kam für ihn nicht in Frage, er wollte auf Dauer in ländlichen, überschaubaren Verhältnissen leben. Ihm schwebte etwas vor, ich wusste genau, was, er musste es mir gegenüber nicht aussprechen: ein südlich milder Ort ähnlich wie Märlingen, nur eben nicht evangelisch, sondern katholisch. Oder wie die Höri, die fruchtbare Bodenseehalbinsel, wo er 1948 von Konstanz aus in einer ganzen Gruppe von ausgehungerten, traurigen Internatszöglingen mal hinbeordert worden war, einem Pfarrer seinen Wein zu ernten.
    Konrad folgte zielstrebig seiner Sehnsucht. Und ich würde ihm folgen.

[zur Inhaltsübersicht]
    Paradies-Garten
    Bamlach oder Sonnenmatt? Unter den Stellenangeboten im Lehrerblatt, das Konrad in diesem Winter regelmäßig studierte, waren zwei, die ihm zusagten. Beide Orte lagen im Markgräflerland, nicht sehr weit entfernt von seinem heißgeliebten Märlingen. Wir berieten uns kurz und taten etwas, was sonst nicht unsere Art war: Wir warfen ein Zehnerle. Zahl war Sonnenmatt. Adler war Bamlach. Zahl! Auch ein zufällig vorbeiradelnder Kollege von Konrad riet zu Sonnenmatt. «Das Schulhaus dort ist ganz neu, gerade erst eingeweiht!» An einem Februar-Wochenende fuhr Konrad dorthin. Obwohl Sonntag war und auch noch Essenszeit, traf er im Rathaus den Bürgermeister an, mitten in der Arbeit, und fand sofort heraus, dass der mit Leib und Seele an seinem Dorf hing. Als ihm der gute Mann auch noch voller Stolz die Schule aufschloss, war alles klar: ein großzügiges, luftiges Gebäude mit vier Klassen und einer Turnhalle, dazu im Keller, kaum zu glauben, zwölf moderne Duschen. Hier kann man als Lehrer schaffen!
    Von Seiten des Kreisschulamtes gab es keinerlei Einwände. «Sonnenmatt? Solche Wünsche höre ich gern, Herr Weingartner!», freute sich der Schulrat und wies auf Stapel von Bewerbungen, einen ganzen Berg vom Boden bis übers Sofa hinaus, «alle für Freiburg». Wir profitierten wieder mal davon, dass unsere Träume nicht zeitgemäß waren.
    Gleich nach Ostern, 1966, sollte er in Sonnenmatt anfangen. Alles vollzog sich so unheimlich schnell, dass wir kaum dazu kamen, von den Menschen, die wir liebgewonnen hatten, richtig Abschied zu nehmen. Von Galina vor allem; wir besuchten sie am Gründonnerstag auf dem Krankenlager, sie war ziemlich schwach. «Das ist nicht so schlimm», beruhigte sie uns, «ich bin eben alt.» Kurz zuvor hatte ich zu ihrem 75. Geburtstag für die Zeitung noch eine offizielle Gratulation geschrieben. Wir packten mit tatkräftiger Hilfe unserer «Schulwüschere», so zügig wie möglich, allzu lange wollten wir Lukas nicht bei meinen Eltern lassen. Unter dem Regiment seines Opas fühlte er sich nie wohl – «den ganzen Tag mit zusammengeklemmten Arschbacken rumlaufen», wie er sich später mal ausdrückte.
    In den ersten Tagen und Wochen habe ich mein Glück nicht fassen können: So viel Sonne in der Wohnung! Morgens schon ist sie ins Schlafzimmer gekrochen und hat uns gekitzelt. Wir hatten gerade die drei sonnenlosen Tonberger Monate hinter uns, auch an diesem Ostern lag dort auf der Schattenseite noch reichlich Schnee, sind sozusagen aus der Eiszeit gekommen. Nur fünfzig Kilometer weiter: der schönste, überschäumende Frühling. In den Gärten haben sogar die Mauern geblüht, Steinpflanzen überall, weiß, gelb, lila. In den Weinbergen, in einem tiefen, unergründlichen Blau, Tausende von Traubenhyazinthen. Von unserer Lehrerwohnung aus, die sich im ersten Stock des früheren Schulhauses befand, haben wir in alle Richtungen das Weiß und Rosa der blühenden Obstbäume bestaunen können. Und die Gerüche! Die Vögel, so viele! Und die Menschen so laut! Das hat uns völlig überwältigt. Gegenüber von uns ein Stall mit brüllendem Vieh, Kühe, Schweine, Schafe, von allem mehr als ein Dutzend, ein reicher Hof, und dieser Bauer hatte nicht weniger als neun Töchter. Das Leben hat einen angesprungen, wo man gegangen und gestanden ist. Konrad und ich kamen aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus.
    «Mensch, guck emol, was da scho blüht!»
    «Guck emol, der alte Birnbaum.»
    «Maiglöckle.»
    «Die hen scho Salat.»
    Auch Lukas ist aufgelebt. Anfangs hat

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