Magdalenas Garten
langen ockergelben Zähne sehen konnte, die von Rissen durchzogen waren wie bei einem alten Pferd. Plötzlich hätte sie ihn um alles in der Welt zum Vater haben wollen. Magdalena seufzte, und weil sie merkte, wie gut es ihr tat, wiederholte sie es gleich noch einmal.
»Da war der beim militare â¦Â«, sagte Matteo vor sich hin.
»Schon der zweite Reinfall. Und Nina hatâs gleich gewusst. Blöd von mir, oder?«
Matteo winkte ab. »Die ersten drei Monate bekam man auch keinen Urlaub, ist heute noch so. Er kannâs also nie und nimmer gewesen sein!« Magdalena tat so, als ob sie sich auf den trockenen Grashaufen konzentrieren würde.
»Und? Bleibst du trotzdem noch auf Elba?« Soll ich denn?, wollte sie in einem Anflug von Koketterie schon zurückfragen, als sie eine Stimme rufen hörte: » Ciao, ciao , Kirtsch, bist du da?« O nein, Magdalena bereute den Zettel, den sie für Evelina vor der verschlossenen Wohnungstür zurückgelassen hatte. Um die Schmach des falschen Vaters so schnell wie möglich mit einer neuen Suche aus der Welt zu schaffen, hatte sie Evelina unbedingt überreden wollen, mit ihr nach Portoferraio zu fahren. Aber doch nicht gerade jetzt. Magdalena ging Evelina entgegen.
» Ciao , Evelina!«
Evelina musterte Magdalena von Kopf bis FuÃ. »Du hast Blätter im Haar und bist ganz verschwitzt, was treibt ihr beide denn da hinten, wälzt ihr euch auf dem Boden herum?«
»Nein«, Matteo tauchte hinter ihr auf, »was gibtâs denn, ciccia , dass du hier so herumschreist?« Warum war er mit ihr so locker, warum machte er Witze und nannte sie »tschitscha«? Was heiÃt das überhaupt?, fragte Magdalena sich und versuchte ihren lächerlichen Anflug von Eifersucht hinunterzuschlucken. Was willst du denn noch? Du hast doch jetzt Roberto, mit dem du ins Bett gehen kannst, und zwar jeden Tag.
Evelina starrte Matteo an. »Nichts«, sagte sie dann knapp und wandte sich zum Gehen, »wollte Kirtsch nur fragen, wann wir nach Portoferraio fahren wollen, den Marco im Caffescondido anschauen gehen. Aber wenn ihr etwas Besseres vorhabt, bitte, ich bin die Letzte, die stören möchte!« Matteo sah Magdalena an und grinste, er sah verdammt süà aus, wenn er das tat, und einen winzigen Moment lang hoffte sie, er würde irgendeine anzügliche Andeutung machen und damit zeigen, dass er sie mehr als nur nett fand und sie etwas ganz Besonderes miteinander teilten â¦
»Der nächste Kandidat«, sagte Matteo, sofort wieder ernst, »du musst jede Möglichkeit nutzen, oder?«
Freunde - schon vergessen? Sie waren gute Freunde.
»Evelina!«, rief sie. »Warte, lass uns nach Portoferraio fahren!«
Â
In Portoferraio steuerte Evelina das Auto am Hafenbecken entlang und durch den rechten Bogen der Porta a Mare in die Stadt hinein. Früher hatten die jeweils über Elba Herrschenden oben am Tor ihr Wappen angebracht. Zunächst die Medici, dann die Lothringer und für kurze Zeit auch Napoleon, und zwar das mit dem roten Streifen und den drei goldenen Bienen. Jetzt befand
sich an dieser Stelle eine Uhr, die im Moment aber ganz offensichtlich defekt war. Sie gelangten auf die etwas höher liegende Piazza della Repubblica, auch sie hatte früher anderen Zwecken gedient. Napoleon hatte an dieser Stelle unter hohen Platanen seine mehr als 1000 Mann starke Privatarmee exerzieren lassen, doch inzwischen war der Exerzierplatz zu einem öffentlichen Parkplatz umfunktioniert worden, auf dem Evelina jetzt das Auto abstellte. Sie gingen am Palazzo Comunale vorbei, hier also, in diesem dunkelrosa gestrichenen Bau, hatte Nina laut eigenem Bekunden »mehrere Tage« verbracht, um die Eröffnung des POLO voranzutreiben. Vergeblich. Magdalena suchte die Vokabeln in ihrem Kopf zusammen, dann fragte sie Evelina: »Wusstest du, dass in diesem Palazzo im 16. Jahrhundert Zwieback und Brot gebacken wurden?« Eigentlich hatte das Gebäude auch noch als Warenlager gedient, doch was Warenlager auf Italienisch hieÃ, fiel ihr gerade nicht ein. »Deswegen hat es auch heute noch den Beinamen Biscotteria .«
»Woher weiÃt du das alles? Mensch, ich bin aus Italien und habe keine Ahnung von Zwieback und Napoleon!«
»Habe ich irgendwo gelesen.« Magdalena zuckte die Schultern, sie konnte es nicht ändern, sie merkte sich eben die kleinsten Details aus jedem Reiseführer. Sie fand
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