Magdalenas Garten
mit übernächtigtem, glückseligem Lächeln zurückguckte, direkt in ihre Augen. Hoffentlich hat es wenigstens Spaà gemacht, Mama!, dachte Magdalena. Hoffentlich hat er deine Hände nicht mit einem Gürtel gefesselt oder dich gebeten, deine goldenen Stiefel dabei anzulassen⦠deine stivali dâoro . Die Musik fiel ihr wieder ein, sie wühlte die CD-Hüllen durch, nur mal aus Spaà schauen, aus welchem Jahr das Lied war. Walter, sonst für die Musikauswahl verantwortlich, war schon nach Hause gegangen, den konnte sie nicht fragen. »Franco«, rief sie auf Italienisch, »wie heiÃt
dieses Lied mit den stivali am Strand, das heute Abend auf einmal so laut lief?«
»Stiefel? Strand? Nie gehört.«
»Doch, das musst du gehört haben, es war dermaÃen laut ⦠âºso sah ich dich am Strandâ¹, kam auch darin vor.«
»Ah, capito !«
»Wer singt das denn?«
»Antonello Pucciano natürlich, âºStiefel aus Goldâ¹, kennt in Italien jedes Kind!«
»Echt?!«
»Hier, deine beiden caffè für Tisch zwei werden kalt!«
»Legst du es noch mal auf? Bitte!!« Magdalena probierte den besonderen Blick, den Nina so gut beherrschte: fordernd, aber lieb von unten, wie eine Katze.
»Haben wir nicht. Muss im Radio gelaufen sein. Nun los.«
Er hielt ihr das Tablett mit den Tassen hin.
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»Wann hat dieser Antonello das Stiefel-Lied denn gesungen?«, fragte Magdalena Franco später, während sie neben der Kaffeemaschine stand und die letzten Gläser abtrocknete.
»Ach, schon ewig lange her, vor tausend Jahren.« Danke für die Information, Franco.
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Die goldenen stivali waren ein Ohrwurm, sie bekam den ersten Satz und die Melodie nicht mehr aus dem Kopf, vielleicht hatte sie ja Glück, und der Laptop in der Bar La Pinta war frei. Im Internet würde sie etwas darüber herausfinden können. Aber sie hatte kein Glück, trotz der späten Stunde belagerten drei junge Typen den Computer, von denen einer mit den Fingern immer wieder auf dieselbe Taste hämmerte, um grunzende Kreaturen abzuknallen. Das konnte dauern. Antonello Pucciano würde zwar auch morgen noch im Internet stehen, aber sie wollte es
unbedingt heute wissen! Sie spürte, dass sie auf der richtigen Fährte war, diesmal viel stärker als je zuvor.
»Schluss, Kinder, ab nach Hause«, rief sie fröhlich zu den über dem Bildschirm zusammengeschweiÃten Hinterköpfen.
»Uuaaah!« Ein Aufschrei, ruckartig drehten die drei sich zu ihr um und schauten sie wütend und entsetzt an, als sei sie vom Wahnsinn besessen.
»ScheiÃe, Mädchen, das hättest du besser nicht gesagt!«
27
M agdalena schaltete in den zweiten Gang runter und zog dann mit der linken Hand ihre Jacke vorn fester zusammen. Je höher sie kam, desto kälter wurde die Nachtluft. Der Lichtkegel des Rollers fraà die weiÃen Mittelstreifen, diese Kurve noch, hier standen bereits die Autos am StraÃenrand, rote Standlichter waren angelassen worden in der Hoffnung, dass man sie nicht übersah. Der Rhythmus der Bässe kam näher, noch konnte sie nicht feststellen, welches Lied gerade lief. Magdalena suchte zwischen den zahlreichen Mofas einen Platz rechts von der Eingangstreppe, stellte den Roller ab, befreite sich von ihrem Helm und verstaute ihn unter der Sitzbank. Sie schüttelte ihre Haare zurecht, ihr Beinahzusammenstoà in der Bar war gerade noch abgewendet worden, von Giorgio, dem Rollerfahrer, der sie wiedererkannt hatte und der nach einer schnell ausgegebenen Runde Bier auch seine Freunde besänftigen konnte.
Jetzt war sie doch wieder im Club 64 gelandet, dabei hatte sie sich fest vorgenommen, direkt nach Hause zu fahren. Aber dort war niemand, und obwohl sie müde war, würde sie nicht schlafen können, sondern zwischen Küche und ihrem Abstellkämmerchen wie eine Flipperkugel hin- und hertitschen. Die dunklen Fensterscheiben und die Stille machten ihr Angst, während sie auf Robertos Wagen lauschte, der nicht kam. Also lieber
hoch in den Nachtclub, ein Gläschen trinken, Menschen angucken und ein bisschen mit Matteo plaudern. Alles besser, als allein im Haus zu sitzen. Heute war Freitag, es war voller als sonst, denn nicht nur die Touristen aus Rom und Milano, sondern auch die jungen Elbaner waren wild entschlossen, sich an diesem Abend zu amüsieren. Magdalena schob sich an den Wartenden
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