Magdalenas Garten
komischen Liedes noch aufgedrehter als sonst, fügte sie in Gedanken hinzu. Matteo nippte an seinem Getränk. Sie tat es ihm gleich und hielt ihren Becher neben seinen. Whiskey und Martini hatten exakt die gleiche Farbe. Gut.
»Was macht Roberto?«
Magdalena schaute ihn an. Wollte er das wirklich wissen?
»Er ist nicht oft zu Hause, steht den ganzen Tag und die halbe Nacht im Il Vizio rum, ich sehe ihn kaum!« Das musste reichen. Matteo schaute sie kurz an, sie lächelte und bemühte sich um ein möglichst unschuldiges Aussehen, nein, sie würde ihm bestimmt nicht erzählen, dass sie mit Roberto inzwischen jeden Nachmittag im Bett lag. Und dennoch hatte
sie ja nicht gelogen, sie sah ihn wirklich kaum im Ganzen, sie sah ihn von so nah, dass es ihr manchmal gar nicht gelang, ihn aus all den Details wieder zusammenzusetzen. Sein schöner Mund, der sie so gern biss und leckte, seine Schultern und die Kuhlen an seinem Schlüsselbein, die Linie dunkler Haare, die den Weg von seinem Bauchnabel zu seinem Schwanz wies, dieses wunderschöne Teil aus samtener, zimtbrauner Haut, weich und glatt. Sie hatten Sex, aber er gab ihn ihr einfach nicht, nicht dort hinein, wo er hingehörte. Es kränkte sie, sparte er sich seinen prächtigen Penis für irgendwas Besseres auf? Es war peinlich, aber sie war regelrecht besessen von ihm, warum würde sie sonst so um ihn betteln? Roberto musste sie nur berühren, schon war sie für alles bereit, das war seine Macht, die er nach Belieben ausspielte.
»Wann kommst du?« Magdalena spürte, wie sie rot anlief. Verliebt in einen Schwanz, der ihr verweigert wurde, so ein Quatsch.
»Was?«
»Ich meine, wann kommst du im Zitronengarten vorbei?«
»Morgen. Spätestens übermorgen.«
Matteo nickte. »Die beiden Delinquenten haben sich erstaunlich gut erholt, die anderen blühen wie verrückt nach dem Dünger.«
»Wir könnten die Mauer wieder aufbauen.« Magdalena hätte sich am liebsten an ihn gekuschelt, sie mochte ihn schrecklich gern, sie waren ein gutes Team. Der verwilderte Park des POLO wurde langsam wieder zu einem Garten, sie hatte den Lavendel vom Unkraut befreit, und Matteo hatte die kahlen, niedergetretenen Stellen rund um die ehemalige Tanzfläche mit weiÃem und rosarotem Oleander bepflanzt.
»Ich habe heute in der Bar ein total kitschiges Lied gehört. Von Antonello Pucciano.«
»Ah, das war doch nicht etwa Stivali dâoro sulla spiaggia â¦?« Matteo sang die Zeile in einem erstaunlich melodischen Bass.
»Du kennst es!«
»Natürlich, das kennt jedes Kind! Irgendwann Anfang der Achtziger hat Antonello damit in San Remo den zweiten Platz gemacht und danach nie wieder einen Hit gelandet.«
»Anfang der Achtziger? Nur den zweiten Platz? Und da kennt ihn noch jedes Kind?«, fragte Magdalena und dachte nach. Irgendwann Anfang der Achtziger, ein Sänger? Es könnte möglich sein ⦠basta! , rief sie sich zur Ordnung, diesmal machst du es anders! Keine unbedachten Aktionen mehr, keine peinlichen Verdächtigungen, kein Abmessen von Eckzähnen oder KörpergröÃen! Und vor allen Dingen kein Wort zu Matteo und Nina, bis du die Gewissheit hast.
»Jeder italienische Sänger probiert sich einmal in seinem Leben an âºStivali dâOroâ¹ , auch heute noch. Eros hat das mal gesungen, Mina, Giovanotti, sogar Zucchero ⦠glaube ich jedenfalls. Und dafür bekommt er ja jedes Mal Tantiemen.«
»Ein Lied und Schluss. Wahnsinn«, sagte Magdalena und rückte noch etwas näher an Matteo heran, um seinen Geruch besser einfangen zu können. Ein bisschen Lederjacke, obwohl er gar keine trug, ein bisschen Sandelholz, Salz, Heu und Whiskey.
»Ich glaube, er hat schon noch Musik gemacht«, sagte Matteo, »er hat für andere Künstler geschrieben, aber selbst nicht mehr gesungen. Hatte ja mit dem einen Song genug verdient, um sich an einer der schönsten Stellen in Italien eine Villa zu kaufen. Und rate mal, wo?«
»Hier! Auf Elba!«
Matteo schien etwas enttäuscht. »Ah, das wusstest du also schon.«
»Ja«, sagte Magdalena leise, »das wusste ich schon.«
28
Z wölf Uhr. Magdalena gähnte, durch den Schlitz zwischen Vorhang und Tür zum Garten fiel ein schneidend heller Streifen Sonnenlicht, der Geschmack in ihrem Mund war alles andere als frisch. Ein dumpfes Gefühl grummelte in ihr wie
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