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Magdalenas Garten

Titel: Magdalenas Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Deutschland, aber wem sollte das Mädchen nichts erzählen? Die Tränen, die ihr inzwischen hinunterliefen, trocknete sie mit dem Ärmel ihrer Jacke einfach immer wieder ab. Es war verrückt, sie heulte, es tat gut und gleichzeitig weh, und sie schien darüber auch noch glücklich zu sein.
    Unter dem Video gab es zwei Einträge, Nico und Bianca versicherten, wie bello! das Video sei und wie grande! Antonello. Für immer. Per sempre . Magdalena schaute sich auch die anderen Interpreten von San Remo’80 an, bis sie auf ihrem Hocker schwankte und ihre Augen von der schlechten Bildqualität und den vielen hässlichen Kleidern, Frisuren und Anzügen ganz von allein tränten. Doch sie fand tatsächlich noch ein weiteres Video von Antonello Pucciano. Es war ein Ausschnitt aus einer Fernsehshow, diesmal stand er ohne Klavier verloren auf der Bühne, im Hintergrund hing eine einfache Lichterkette. Er wirkte älter, der Haaransatz war zurückgegangen, und sein Teint sah orange und fleckig aus, vielleicht hatte man zu der Zeit gerade den Selbstbräuner erfunden. Seine Brille war wieder tropfenförmig, diesmal nicht mit einem weißen, sondern einem hellrosa Rand. Antonello sang sein Stiefel-Lied und schaute ab und zu irritiert von rechts nach links, als ob jemand vor ihm, unterhalb der Bühne, entlangrannte. Magdalena tat er irgendwie leid. Unter testo Stivali d’Oro fand sie den Liedtext abgedruckt. Sie klickte auf den Drucker am oberen Bildschirmrand und loggte sich aus. Benommen taumelte sie an den Automaten vorbei bis vor den Tresen. Sie nahm den Ausdruck und ihren Personalausweis in Empfang, zahlte zehn Euro und schaute erstaunt auf die Uhr, sie hatte tatsächlich zwei Stunden vor dem Computer zugebracht!

    Â 
    Magdalena stellte den Roller direkt vor dem Musikgeschäft an der Piazza Libertà ab, hier gab es die umfangreichste Auswahl an CDs, das hatte zumindest Matteo gestern Abend behauptet.
    Â»Antonello Pucciano?« Der dickliche junge Mann verzog verächtlich den Mund, sein T-Shirt bekannte sich zu der Heavy-Metal-Musik aus den Lautsprechern, der Duft seines Aftershaves war ähnlich betäubend.
    Â»CD liegt da hinten.« Aha, nur eine. Aber wo? Magdalena tappte zwischen den Regalen herum und überflog die Fächer. Internazionale. Nazionale. Cantautori. Classica. Ohne sich umzudrehen, wusste sie, dass der Dicke ihr gefolgt war, in dem kleinen Laden war es nicht schwer, ihn zu orten. Magdalena versuchte ihre Lungen vor einer Parfümvergiftung zu bewahren, indem sie die Luft anhielt.
    Â»Hier«, sagte er, »San Remo achtzig, Pucciano hätte damals eigentlich vor Alina gewinnen müssen! Aber immerhin Platz zwei!« Das klang geradezu stolz, der Typ war vielleicht doch ganz nett.
    Â»Kann ich das mal anhören!«
    Ob sich Robertos Masche, Fragen ohne Fragezeichen zu stellen, erfolgreich nachahmen ließ? Wortlos nahm der Dicke ihr die Hülle aus der Hand, ging hinter seinen Ladentisch und unterbrach die kreischende Musik. Stille.
    Einzeln tropften die Klaviertöne aus den Lautsprechern, die Tonqualität war ausgezeichnet, dann endlich konnte Magdalena auch seine Stimme hören. Es war, als ob Antonello direkt über ihr in ein Mikrofon sänge. Wieder die Gänsehaut, wieder der Strand und die Stiefel. Die Stiefel waren auffällig. Goldene Stiefel, wer zog so was schon freiwillig an? Und wer vergoldete sie wie Heidi sogar noch selbst mit der Spraydose? Es könnte doch auch jedes andere Mädchen sein, das er da besingt, nur die Jahreszahl und die Tatsache, dass er auf Elba lebt, besagen
überhaupt nichts. Und waren solche Stiefel damals wirklich so einmalig? Ab wann hatte es als chic gegolten, alles vergoldet und versilbert zu tragen? Wann, in welchem Jahr, war jedes Accessoire von der Handtasche bis zu den Schuhen metallisch, schon in den Siebzigern oder erst Ende der Achtziger? Magdalena ging zum Tresen und nahm die Hülle genauer in Augenschein, ein psychedelisches Muster in Orange und Rot, Schlagerfestival San Remo 1980, auf der Rückseite waren die fünfzehn Teilnehmer aufgelistet. Im Innenheft gab es keine genaueren Angaben, noch nicht einmal den Abdruck des Gewinnerliedes von Alina fand sie.
    Â»Du weißt, wo er wohnt«, setzte sie Robertos Befragungsstrategie an dem beleibten Metal-Fan fort, bevor er wieder seine schrecklich disharmonische Musik auflegen konnte.
    Â»Ã„h, wie bitte?« Er zog den

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