Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Magdalenas Garten

Titel: Magdalenas Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
Vom Netzwerk:
verlieren. Das blockierte ihre Freundschaften, ihr Leben. Und das von Matteo auch.
    Dann sag ihr das doch mal, aber nein, du machst einen Bogen um den Club 64 und um jeden Strand, an dem sie sich aufhalten könnte.
    Â 
    Eine Woche später, nachdem ein heißer, endloser Nachmittag in den frühen Abend übergegangen war, stand Magdalena wieder vor dem Spiegel, sie seufzte und zupfte ihre luftige Hose zurecht. Durch das viele Schlaf-Bier hatte sie zugenommen, ihre zwischenzeitlich knochig gewordenen Hüften waren wieder von einer dickeren Schicht umhüllt. Roberto mochte das, er kniff mit Wonne hinein und nannte sie tonta . Das war Spanisch und hieß wahrscheinlich »Tonne« oder etwas ähnlich Gemeines.
    In der Küche lief das Radio, sie sah auf die Uhr, erst kurz vor sechs. Noch zweieinhalb Stunden, die sie herumbringen musste, bis sie in die Bar fahren konnte. »Mit goldenen Stiefeln an den nackten Beinen, so sah ich dich am Strand, bald gingen wir Hand in Hand …«, sang Antonello und brachte sie zum Lächeln, sie stellte sich das weißblonde Haar und die ebenso behaarten Beine des Norwegers vor. Thor. Thor aus Oslo. Uslu . Vorgestern hatte sie mit Edmondo am Telefon über ihren nächsten Besuch bei Antonello gesprochen, er wollte sie zurückrufen. Doch das hatte er nicht getan. Gestern war nur die Mailbox angegangen. Die Stimme des Radiosprechers wiederholte den Titel: »Antonello Pucciano mit seinem berühmten Hit, Stivali d’Oro , der gestern im Alter von nur zweiundfünfzig Jahren in seinem Haus in Florenz gestorben ist.«

    Haus in Florenz? Gestorben ist? Antonello war nicht tot! Magdalena sah sein abgemagertes Jungengesicht vor sich, seine kraftlose Hand auf dem Sofa, sah ihn auf der Terrasse liegen und hörte, wie stolz er über die Künstler und ihre Skulpturen redete, mit denen sein Garten bevölkert war. Er durfte nicht tot sein.
    Ich muss Edmondo anrufen, dachte sie, ließ den Gedanken aber sofort wieder fallen. Was für eine Vorstellung, sie konnte ihn doch jetzt nicht anrufen, nur weil im Radio solche Nachrichten verbreitet wurden. Warum in seinem Haus in Florenz? War das ein Ablenkungsmanöver? Sie musste sofort nach Capoliveri.
    Â 
    Ohne den Motor des Rollers anzulassen, rollte sie den steilen Weg hinunter, über der einzigen Start- und Landebahn des Flugplatzes hob die letzte Propellermaschine nach irgendwohin ab, der Himmel glühte, als ob er brannte. Taumelig zog der Flieger eine Linkskurve in das unendliche Himmelsrot. Antonello war nicht tot, er konnte doch nicht so schnell gestorben sein, sie hatte ihn doch noch besuchen wollen.
    In Capoliveri angekommen, fuhr sie die kleine Sackgasse zu Antonellos Haus hinunter, schon von Weitem sah sie das geschlossene Tor, natürlich, das bewies noch gar nichts. Sie würde klingeln, sie würde ihn sehen, seine Hand drücken. Dann erst entdeckte sie die beiden in weißes Plastik gehüllten Sträuße. Magdalena starrte auf die Blumen. Er war tot. Er war wirklich tot. Der arme Edmondo war jetzt allein, er hatte Antonello so sehr geliebt, dass er mit der Blumenvase in der Hand ihr erstes Gespräch bewacht hatte. Früher als befürchtet hatte Antonello sich »aus dem Staub gemacht«. Er war einer der wenigen Menschen, den sie kannte, der mit Heidi gesprochen hatte, sie waren befreundet gewesen, der schüchterne Junge aus Florenz vor seinem Coming-out und das ungekämmte, schöne Mädchen
aus dem roten Zelt. Heidi hatte ihm Mut gemacht. »Meine Seele bekam Flügel.«
    Jetzt war er tot. Aber er hatte zufrieden über sein Leben gesprochen. Es war gut. Ich war glücklich.
    Wie werde ich wohl mein Leben am Ende zusammenfassen?, überlegte Magdalena. Es war ganz okay? Hätte mehr sein können? Sie konnte jeden Tag die falsche Entscheidung treffen und ihr Leben damit in Schräglage bringen. Müsste sie vielleicht irgendwann einmal sagen: Wenn ich auf Elba nicht die falsche Entscheidung getroffen hätte? Wenn ich nie nach Elba gefahren wäre … Falls ich auf Elba doch meinen Vater getroffen hätte? Alles konnte falsch sein, alles konnte richtig sein.
    Der rote Himmel war hoch wie eine gigantische Kirchenkuppel.
    Grüß Heidi von mir, Antonello, nein, küss sie von mir, falls du sie siehst. Oh Dio , sie krümmte sich über dem Lenker des Rollers, stoßweise pressten ihre Schluchzer die Luft aus den Lungen, als sie endlich

Weitere Kostenlose Bücher