Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Magdalenas Garten

Titel: Magdalenas Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
Vom Netzwerk:
über dem Kopfende des Bettes, lächerlich, wie hindrapiert hing er da. Im Film bedeuteten lässig hingeworfene Dessous, ja, sie haben es getan. Roberto mochte es, wenn sie ihn anließ, manchmal tat sie ihm den Gefallen, manchmal nicht. Sie hakte ihn zwischen ihren Schulterblättern zu und drehte sich vor dem schmalen Spiegel in Robertos Schrank. Heute Abend würde sie Walter endlich sagen, dass sie in der Bar aufhörte, dass sie zurück nach Deutschland musste. Diesen Vorsatz hatte sie in den letzten Tagen an jedem Abend, wenn sie sich für die Arbeit fertig machte, gefasst, doch dann hatte sie keinen Ton herausbekommen, sondern begonnen, die Tische abzuwischen, die Chips aus dem Innenhof zu fegen und den Obstsalat für Cristina zuzubereiten, um für den bevorstehenden Ansturm gewappnet zu sein.
    Â 
    Die letzten Tage waren wie in Trance vergangen, in der Hitze verrührten die Stunden sich zu einem Brei, zum Denken war es zu heiß. Sie dachte nicht nach, warum auch, sie wusste, welche Handgriffe zu tun waren. Selten, wenn ihr untätiges Gehirn ansprang wie ein quietschender Deckenventilator, betrachtete sie sich selbst in kurzen Momentaufnahmen, für mehr reichte es nicht. Sie sah sich bei Fahrten auf dem Roller, hin zur Bar bei
Sonnenuntergang, zurück nach Hause unterm Sternenhimmel, beim Duschen in Robertos Dusche mit Wasser, das in den letzten Wochen immer bräunlicher und salziger geworden war, beim Anziehen vor dem Spiegel, mit den weißen Streifen des Bikinis auf ihrer braunen Haut, bei der Arbeit, die sie Tabletts schleppend, kassierend, mit zehn parallel laufenden Bestellungen im Kopf zwischen Innenhof und Tischen auf der Straße zubrachte. Nachts trank sie am Küchentisch sitzend zwei kleine Flaschen »Du Démon«, französisches Bier, damit sie leichter in den Schlaf gleiten konnte, mittags wachte sie mit verklebten Lidern auf und fuhr nach Procchio oder Marina di Campo an den Strand. Manchmal aß sie vorher sogar zusammen mit Roberto einen Reissalat. Sie kaufte sich italienische Frauenzeitschriften, die sie Wort für Wort las. Ihr Italienisch wurde besser, sie konnte neben körnigen Paparazzi-Fotos lesen, wie die Schauspielerin hieß, mit der Fußballstar Tonio Lucamante knutschend im Auto überrascht worden war, und wusste, wie viele außereheliche Kinder der große ehrenhafte Fernsehmoderator Pippo mittlerweile hatte. Nach dem Strand verbrachte sie ein Stündchen mit Roberto in seinem Bett, sie ließ sich von ihm wie auf einem Massagetisch durchkneten, biegen und falten, wobei sie manchmal beide auf dem Boden landeten, dann war es auch schon wieder Zeit, arbeiten zu gehen bis nachts um zwei. Sie wischte freiwillig den Fußboden und half Franco, Getränke aufzufüllen, um noch später in ihr Kämmerchen zurückzukehren. Tagsüber hörte sie Radio Elba, sie wollte Stimmen um sich haben, sie wollte nicht nachdenken. Wenn sie nicht nachdachte, vermisste sie auch nichts.
    Â 
    Heute Nachmittag hatte sie etwas Besonderes vor, auf das sie sich schon seit Tagen freute, sie war bei Antonello eingeladen. Lange überlegte sie hin und her, was sie anziehen sollte, wählte
schließlich das dunkelrote Kleid und schminkte sich ein bisschen mehr als sonst.
    Â 
    Als sie auf der Terrasse in einem zweiten Liegestuhl neben Antonello lag, selbst gemachte Zitronenlimonade trank und in den Garten schaute, fühlte sie sich seit Langem endlich wieder völlig klar. Antonello erzählte noch einmal von dem Sommer, in dem er Heidi kennengelernt hatte, er wiederholte die Sätze, die Magdalena schon kannte, und sie konnte beobachten, wie er hinter der straff gespannten Haut seiner Stirn nach neuen Einzelheiten suchte, die wertvoll für sie sein könnten.
    Â»Diese Skulpturen in deinem Garten gefallen mir sehr«, sagte Magdalena, als Antonello zum dritten Mal von Heidis blonden, ungekämmten Haaren anfing, »ich mag es, dass sie ein bisschen versteckt stehen, wer hat die gemacht?« Antonello lächelte entschuldigend und strich über die leichte Decke, unter der sein magerer Körper verborgen war.
    Â»Ich habe das Haus von einem polnischen Bildhauer gekauft, zusammen mit einem Teil seiner Werke. Er ist Anfang der Neunziger gestorben, Slawek Wajda hieß er, heute sind seine Skulpturen richtig wertvoll. Der Torso mit den Flügeln vor dem Haus, das halbe Gesicht, die beiden Figuren vorne beim Pool, die sind alle

Weitere Kostenlose Bücher