Magdalenas Garten
überhängenden Bougainvilleen in den Schatten, im Schneidersitz, direkt auf den Boden, der mit lila Blütenblättern übersät war, und legte das Büchlein und das kopierte Foto vor sich hin.
»Ach, Heidi«, sagte sie zu dem Gesicht ihrer Mutter, während sie sich die Tränen abwischte, »kaum habe ich jemanden gefunden, der dich kannte, ist er auch schon tot.« Immerhin kennst du mich jetzt ein bisschen besser, schienen die Augen ihrer Mutter zu antworten. »Ja, ich bin überrascht, dass du die Beziehung beendet hast, nicht er. Er hat sogar angerufen und Briefe geschickt. Du warst eine harte Nuss, härter, als ich dachte â¦Â« Magdalena suchte nach einer weiteren Antwort in Heidis Augen, aber sie lächelte diesmal nur.
Ein violettes Blütenblatt segelte hinunter auf das Foto. Genau zwischen die beiden Köpfe. Ein Zeichen! Magdalena schnaubte, schade, dass sie nicht an solche Dinge glaubte. Sie stand auf, pflückte ein paar frische Blüten von einem Zweig und legte sie um das Foto herum. Sie wollte daran glauben können, wie tröstlich wäre das jetzt! Antonello gab aus dem Himmel Zeichen und führte sie zu ihrem Vater. Also, Antonello, ich wäre bereit. Sie rückte die Blüten zurecht und setzte sich wieder in den Schneidersitz. Wie ein Hippiemädchen aus den Siebzigern, ging es ihr durch den Kopf. Na ja, vielleicht ein bisschen alt für ein Hippiemädchen, und das klingelnde Handy passt auch nicht ganz dazu. Sie nahm es aus ihrer Handtasche. Eine neue Nachricht, von? Matteo! Wieso Matteo? Er schrieb nie, er hatte sie auch noch nie angerufen.
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Eine Beziehung sollte man niemals per SMS beenden, aber eine Freundschaft darf man vielleicht auf diese Art wiederbeleben. Kommst Du morgen Nachmittag in den Garten? Habe eine Ãberraschung für Dich.
Freundschaft? Ãberraschung? Aber natürlich, hastig tippte sie ihre Antwort. Komme gerne!
Danke, Antonello, das war schon mal sehr nett von dir! Was sagte denn Oscar Wilde dazu? Sie schlug das Büchlein an einer beliebigen Stelle auf:
»Wir liegen alle in der Gosse, aber einige von uns betrachten die Sterne.«
37
J emand rüttelte sie an der Schulter. »Nein, lass mich!«, rief sie. »Ich kann nicht, ich muss eine Vase für die Callas finden â¦Â« Magdalena schlug die Augen auf. Robertos Gesicht war ganz nah vor ihrem. »Aufstehen, Lena, wir machen einen Ausflug!«
»Wir machen nie einen Ausflug, du musst doch arbeiten«, murmelte sie und drehte sich zur Wand. Mist, die Sonne schien, es war tatsächlich schon Tag.
»Heute nicht, ich bin von einem Freund eingeladen worden, der hat ein Boot in Portoferraio liegen, ein Segelboot! Wir wollen ein bisschen segeln, essen, feiern, komm!« Magdalena setzte sich auf.
»Wann sind wir wieder da?«
Roberto schaute sie unwillig an: »Wann sind wir wieder da?«, imitierte er ihre Stimme auf nicht gerade freundliche Weise. »Abends wahrscheinlich, es gibt hier keine deutschen Bürozeiten! Ich habe mir heute freigenommen, letzte Auszeit vor dem August. Bis ferragosto gibt es keine Pause mehr, da machen wir uns vorher noch mal einen entspannten Nachmittag!«
»Ich muss um halb neun in der Bar sein!« Von ihrer Entscheidung, morgen das letzte Mal in der Bar Elba zu arbeiten, hatte sie ihm noch nichts gesagt.
»Ruf die an, sag ab, sag, du kommst nicht, dir ist schlecht,
Magenverstimmung! Komm, tonta , ich hab das Ding auch für dich klargemacht! Du segelst doch gerne.«
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Roberto hatte recht, wenn sie Segelboote im Hafen liegen sah, wurde sie immer von einer kribbelnden Sehnsucht gepackt. Die Masten, die Takelage, das Knarren der Fender an den Bordwänden, alles erinnerte sie an die Segelkurse mit Rudolf auf dem Ijsselmeer. Auch jetzt ging es ihr so, denn hier im Darsena-Hafen in Portoferraio lagen immer besonders schöne Exemplare. Wie jedes Mal las Magdalena neugierig die Namen der Boote, an denen sie entlanggingen, schätzte die MaÃe ab und suchte sich eines aus, das sie kaufen würde, wenn sie mal viel Geld hätte. Eins wie das da vorn zum Beispiel, ganz aus Holz, schlank, höchstens elf Meter lang. Auf dem Ijsselmeer hatte sie auf kleinen Jollen gelernt, das gröÃte, was sie im zweiten Kurs gesegelt hatten, war eine Ketsch gewesen. 13 Meter, zwei Masten. Roberto trug einen riesigen Karton mit Flaschen und Proviant lässig auf der Schulter, er begrüÃte den
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