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Magdalenas Garten

Titel: Magdalenas Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Moment und sagte dann mit müder Stimme auf Deutsch: »Wenn du meinst, Nannini, wenn du meinst …«
    Â»Na, unbedingt!«, antwortete Nina, plötzlich wieder fröhlich. »Und du«, fuhr sie an Magdalena gewandt fort, »musst jetzt deine Tabletten nehmen und deine Reise-Dings-G’sell-schaft antelefonieren, und dann schläfst du noch eine Runde!« Gehorsam nickend stand Magdalena auf, stellte die leeren Teller zusammen und trug alles ins Haus. Dann ging sie in Ninas Zimmer und zog leise die Tür hinter sich zu.

    Â 
    Es war schon Nachmittag, als sie wieder erwachte. Ihr Handy blinkte: geladen. Mit steifen Gliedern stand sie auf, reckte sich, pflückte es von seinem Kabel, ließ sich wieder auf das Bett sinken und rief zu Hause an. Er nahm nach dem ersten Klingeln ab. Mist, wie fange ich an?, dachte Magdalena und zupfte ein Stück trockene Haut mit den Zähnen von ihrer Unterlippe, den rostigen Geschmack des Blutes bemerkte sie kaum.
    Â»Kirsch!«
    Â»Hallo, Rudi!«
    Â»Hallo, mein Kind. Na, was ist denn da passiert? Ich habe versucht, dich anzurufen, aber du klingst ja schon wieder ganz munter.«
    Klar, hinfallen durfte man bei Opa Rudi, man musste nur schnell genug wieder aufstehen.
    Â»Geht schon wieder.« Sie zog ein weiteres Stück Haut von ihrer Lippe, es blutete stärker.
    Â»Na, das ist ja schön! Ich habe Erika heute mit dem Zaun geholfen, hinten bei den Johannisbeeren.«
    Ablenkung. Er weigerte sich immer noch, ihre Reisen zu erwähnen, ihre Suche, Italien, alles, was mit ihrem Vater zusammenhing.
    Â»Erika«, sagte sie schwach, »seit wann duzt du denn die Frau Feest?«
    Der Garten der Witwe Feest grenzte an ihren, sie trug immer Kopftücher und sprach mit rauer Stimme, die ihr als Kind Angst gemacht hatte. »Deine Großeltern haben es ja wirklich schwer«, hatte sie einmal zu ihr gesagt, sie musste in der vierten Klasse gewesen sein, »erst haben sie die Tochter verloren, und dann müssen sie in ihrem Alter noch so ein unbändiges Enkelkind aufziehen …« Magdalena hatte sich gewundert, was genau bedeutete unbändig? War sie unbändig? Sie musste bei dem Wort an ein überdehntes Gummiband denken. Machte sie
den Großeltern das Leben schwer? Und was war mit dem Alter? So alt kamen ihr die beiden gar nicht vor, Frau Feest dagegen schon, zerfurcht und steinhart, wie eine vertrocknete Walnuss.
    Â»Ach, sie hat mir gestern einen Chicoréeauflauf gebracht.«
    Magdalena schluckte, kaum war sie nicht da, brachte die Alte ihrem Großvater etwas zu essen. Wie konnte sie das Thema geschickt von Chicorée auf Elba lenken?
    Â»Rudi, ich bin … ich habe eine Gehirnerschütterung, der Arzt sagt, ich darf nicht reisen. Am Samstag holt mich ein anderer Bus von der Treva wieder ab, das habe ich schon alles organisiert.«
    Sie verachtete sich selbst für ihre Bemühungen, immer noch sein braves Mädchen sein zu wollen, auf das er sich verlassen konnte. Stille. Manchmal ging sie am Donnerstagabend in den Boxkeller, atmete den Staub der Matten und den Schweißgeruch ein und schaute zu, wie Rudi die Jungs mit schier endlosem Seilspringen, sparsamem Lob und kaum zu ertragendem Schweigen formte. Magdalena stand auf, um die Lautlosigkeit am anderen Ende der Leitung besser aushalten zu können. War er noch dran? Sie räusperte sich.
    Â»Hast du gehört, Rudi? Nächsten Montag bin ich schon wieder da.«
    Â»Das geht nicht! Wie stellst du dir das vor? Es reicht schon, dass ich mich auf diese sieben Tage einlassen musste, und jetzt noch mal eine Woche!«
    Â»Ach, Opa, ich bin doch schon oft gefahren, du kommst blendend ohne mich klar!«
    Â»Denkst du dir so.«
    Â»Ja!« Verdammt, sie hatte ihm immer noch nicht gesagt, wo sie war.
    Â»Das geht nicht!« Ach, er kann so stur sein, hatte Oma Witta
oft geklagt. Sie saugte das Blut aus ihrer Lippe, jetzt würde sie mal stur sein.
    Â»Doch, das geht. Ich bin auf Elba und habe hier noch zu tun. Du wusstest es sicher nicht, aber hier auf dieser Insel hat deine Tochter den Vater deiner Enkelin kennengelernt.«
    Â»Denkst du dir so.« Er klang auf einmal müde.
    Â»Ja! Du hast mir ja nie etwas erzählt, und deswegen muss ich alles selber rausfinden, und ich werde …« Sie stockte. Was denn? Ihn finden?
    Â»In sieben Tagen also? Nun, ich muss mich jetzt hinlegen, habe schon den ganzen Tag Kopfschmerzen. Tschüss, mein Kind.«

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