Magdalenas Garten
Roberto nicht da war, nutzte sie die Zeit, um ihn besser kennenzulernen. In seinem Haus lieà sich nichts nach Farben ordnen, dort gab es nur Naturtöne: Grau, Beige und WeiÃ. Auf seinem groÃen Rattanbett sitzend, blätterte sie die einzigen Farbkleckse, seine zahlreichen Bildbände, durch, inspizierte seinen Schrank, in dem zwanzig identische weiÃe Hemden auf Abstand hingen, sodass keins das andere berührte, stellte fest, dass die Schachtel Kondome in seiner Kommode nicht leerer wurde und er sich die Zähne mit deutscher Ãkozahnpasta, Zitronen-Salz-Geschmack, putzte. Sie wusste, dass er nicht rauchte, Champagner liebte, fast ausschlieÃlich von Espresso lebte und selbst dann noch unverschämt gut aussah, wenn er auf die Schnelle öligen Reissalat aus dem Glas löffelte. Sie würde sich das gute Roberto-Gefühl nicht von Nina verderben lassen. Nina beugte sich vor: »Ich sage nur: Pass auf dich auf!« Wie dramatisch, Nina hatte wohl zurzeit niemanden, den sie umsorgen konnte.
»Was macht dein Student, dieser Bastian?«
»Florian!« Magdalena lächelte, trotz ihrer Eifersucht wollte sie Ninas spärliche Freundschaftsbeweise nicht vollständig verlieren. »Ich schreibe nicht, aber er ergeht sich dafür in ganz neuen Liebesschwüren.«
»Ich habâs mir gedacht. Und du lässt ihn zappâln?«
»Kann man so sagen.«
Â
Als Magdalena das nächste Mal an Tisch sieben vorbeikam, schob Matteo gerade seinen Stuhl zurück. »Okay, ich muss los, und du hüte dich vor den Argentiniern!« Er nahm ihre Hand für einen Moment.
Fast hatte sie ein schlechtes Gewissen, als würde sie ihn mit Roberto betrügen. Aber sie betrog ihn nicht, sie betrog niemanden, und Florian schon gar nicht!
21
U m halb neun, wenn Magdalena mit der Arbeit begann, war die Bar meistens noch leer, so auch an diesem Tag. Als sie unter den Tischen im Innenhof die Chipskrümel und Erdnussschalen zusammenfegte, betrat jemand die Bar. Sie hob nur kurz den Kopf. Er war groÃ, seine schütteren, grau melierten Haare waren am Hinterkopf zu einem dünnen Pferdeschwanz zusammengebunden. Magdalena fegte weiter und überlegte, warum Roberto sie eigentlich noch nie aufgefordert hatte, ihn im Il Vizio zu besuchen. Sie beschloss, am nächsten Tag einmal dort vorbeizufahren, gegen einen Cappuccino an seiner Theke würde er ja wohl nichts einzuwenden haben. »Wal-ter!«, trompetete der dünne Pferdeschwanz jetzt an der Bar. Sie schaute hinüber. Walter schien belustigt über ihn zu lächeln. Aber Walter lächelte über jeden belustigt oder starrte abwesend in die Luft, mit ihr hatte er in den vergangenen zwei Wochen, die sie nun schon hier arbeitete, kaum ein Wort gesprochen.
»Un bianco!« Der Unbekannte stand mit dem Rücken zu ihr und beugte sich über den Tresen, er redete und gestikulierte ohne Punkt und Komma. Magdalena lehnte den Besen leise an die Glastür, dieser Typ war einer von denen, die alles kommentieren mussten, wahrscheinlich erklärte er sich dadurch selbst das Leben. Mit einem Mal, als ob er ihren Blick gespürt hätte, drehte er sich um.
» Eccolo , ein neues Gesicht, angenehm, Olmo!«
» Piacere , Magdalena!«, brachte sie hervor und ging näher an ihn heran, sodass er ihre Hand ergreifen konnte. Nur langsam drang die Erkenntnis zu ihr durch, wer ihr da gerade die Hand zerquetschte, als ob er eine Zitrone auspressen wollte: Olmo! Olmo Spinetti, zu dem der Wirt des Mezza Fortuna sie mit den Worten »Der kannte sie damals alle« geschickt hatte. Magdalena rieb sich die schmerzenden Finger und betrachtete ihn aufmerksam wie ein berühmtes Gemälde, das man nur aus Büchern kennt und nun endlich in natura sieht.
»⦠und wer hat sie eingestellt, hat Sara das entschieden? Oder du, Wal-ter? Woher kommst du? Deutschland, ah, die Deutschen sind gut, ich mag die Deutschen, aber die Russinnen können auch richtig anpacken oder die Rumäninnen, verstehst du?« Er trug zwei klotzige Taucheruhren an seinem linken, stark behaarten Unterarm. Er folgte ihrem Blick.
»Natürlich, jetzt fragst du dich, was will der da mit den zwei Uhren, tja, ich muss halt immer wissen, wie spät es gerade auf Santa Lucia ist, caraibi , verstehst du?« Magdalena zuckte zusammen, als sie ihren zweiten Vornamen hörte. Lucia. Santa Lucia.
»Komme gerade von da und muss ziemlich oft dort
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