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Magdalenas Garten

Titel: Magdalenas Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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Desinfektionsmittel
ins letzte Wischwasser, nicht mehr und nicht weniger. Selbst Walter würde es als Besitzer der Bar nie wagen, diese Ordnung infrage zu stellen. Während der sonst so schweigsame Walter mit ausgewählten Gästen gerne mal ein Schwätzchen hielt, sortierte Franco Kaffeelöffel, räumte im Lager herum oder ordnete die Schubladen unter der Bar in einem von ihm erdachten revolutionären neuen System ein. Ständig wischte und putzte er etwas, Magdalena hatte schon ein schlechtes Gewissen, wenn sie ihn nur sah.
    Â 
    Es wurde voller, fast alle Tische waren besetzt, Magdalena nahm Bestellungen auf, räumte ab, schleppte Tabletts mit Eisbechern und Getränken heran und rannte zwischen Innenhof und Straße hin und her. Es machte ihr Spaß, in ihren neuen leichten Segelschuhen war sie die schnellste Bedienung von ganz Procchio. Ab zehn Uhr kam sie kaum mehr zum Verschnaufen, sie verteilte die Getränkekarten an den Tischen, sammelte sie wieder ein, empfahl Kuchen aus der Vitrine - » Allora , wir haben torta di mela, torta di moro und eine crostata di albicocche « -, sie räumte schmutziges Geschirr in die kleine Spülmaschine und verbrannte sich an den Untertassen die Finger, wenn sie sie wieder ausräumte. Sie redete Italienisch, wie es ihr gerade einfiel, die Italiener waren neugierig, kaum hörten sie ihren fremden Akzent, fragten sie auch schon, von wo sie käme.
    Â»Germania. Del nord.«
    Â»Hamburgo?« In der Nähe! Sie hatte aufgegeben, die geografische Lage von Rheine mithilfe der niederländischen Grenze zu erklären, die meisten Italiener wussten gar nicht, wo genau sich dieses europäische Land befand.
    Dreiundzwanzig Uhr, Franco schickte Magdalena mit dem Besen hinaus, sie sollte wie jeden Abend die Kippen auf dem Bürgersteig zusammenfegen.

    Halb eins, Endspurt, Aschenbecher ausleeren, Kaffeemaschine polieren, Müll und leere Flaschen über die Straße zum Container bringen. Walter drückte ihr zehn Euro in die Hand. Ihr Trinkgeld. Sie steckte es in die Tasche und ging zu ihrem Roller, der in der Gasse hinter der Apotheke abgestellt war. Morgen würde sie damit die Via del Mare hinunterfahren und Olmo erklären, dass er bereits Vater war.

22
    M agdalena schüttelte den Stift, dass die Kugel darin hin und her klackerte, und drückte die Spitze ein paarmal auf das Papier. Mit dem Goldlack, der jetzt aus der Fasermine trat, färbte sie die Stiefel ein, die sie ihrer Mutter an die Beine gemalt hatte. Auch ihre Haare malte sie so an. Fertig war das Bild. ›Heidi am Strand‹ schrieb sie unter die Kugelschreiberzeichnung, sie konnte recht gut zeichnen, aber ob Heidi wirklich so ausgesehen hatte? Das Oberteil hatte sie vom Foto übernommen. Schade, es gab keinen roten Stift in Robertos Küchenschublade. Ob sie tatsächlich einen Minirock getragen hatte? Magdalena machte eine abgeschnittene Jeans aus dem Minirock und pustete den Lack auf den Stiefeln trocken. Sosehr sie es auch versuchte, sie konnte das Bild ihrer Mutter einfach nicht mit Leben füllen.
    Dann fächerte sie die Postkarten vor sich auf dem Küchentisch auf und schob sie wie eine Wahrsagerin hin und her. Sie traute sich nicht, sie traute sich einfach nicht, auf den Roller zu steigen und loszufahren. Jeden Tag hatte sie Heidis Postkarten, ihr Notizbuch und die Zettel aus der Freiburger Wohngemeinschaft betrachtet und immer wieder durchgelesen. Keine Zeile mehr, die sie nicht kannte, kein gedruckter großer Anfangsbuchstabe ihrer Mutter, den sie nicht studiert hätte. Die Fotos, die sonst an der Wand neben ihrem Bett im Abstellkämmerchen
hingen, hatte sie heute abgenommen, um sie ihm mitzubringen. Doch nun zögerte sie. Die Begegnung mit dem tobsüchtigen Giovanni auf der Fähre war ihr noch lebhaft in Erinnerung. Vielleicht sollte sie Olmo nicht sofort mit der Nachricht und den Babyfotos überfallen, sondern zunächst über die fragliche Zeit aushorchen. Er hörte sich selbst ja nur allzu gern reden, das hatte er gestern in der Bar unter Beweis gestellt. Möchte ich denn nun, dass er es ist, oder nicht? Magdalena mischte die Postkarten wie die Karten beim Memory, bevor man sie umdreht. Keine Ahnung, er soll nicht dumm sein, er soll mir etwas von meiner Mutter erzählen können. Und wenn er das nicht kann? Dann bekommt er auch nichts zu sehen, geht ihn nämlich nichts an. Entschlossen schob sie die Karten zusammen,

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