Magic Cottage
winziges und trotzdem liebevoll gestaltetes Haus. Ein Teil dieses Hauses war rund.
Jeder Zweifel war ausgeschlossen. Dieses Haus war Gramarye.
Stimmen
Für einen Wald gibt es keine Sperrstunde — die ganze Nacht wie auch den ganzen Tag über herrscht dort geschäftiges Treiben. Doch ganz gleich, welche Stunde auch ist, der Großteil des Geschehens vollzieht sich im Unsichtbaren. Nur am Abend oder in der Nacht scheint es mehr Geräusche zu geben, mehr Huschen, raschelnde Blätter und manchmal auch knackende Zweige. Je später die Stunde, desto abweisender und geheimer prä- sentiert sich der Wald. — Einem Außenseiter gegenüber jedenfalls.
Ich tat mein Bestes, jenem Weg zu folgen, den Midge und ich bei anderen Gelegenheiten benutzt hatten - ich wußte, wohin er mich in etwa führte, und hoffte, daß die Sonne noch nicht zu tief stand, bis ich dort ankam. Ich hatte mir eine Jacke gegriffen, als ich das Haus verließ, denn ich war mir bewußt, wie kühl es um diese Zeit unter den Bäumen werden konnte.
Weicher, laubbedeckter Blätterboden fegte unter meinen Füßen hoch, so daß sich meine Schritte wie ein abgerissenes Hecheln anhörten. Ein federnder Ast verhöhnte mein Vorankommen mehr, als daß er es behinderte; ohne anzuhalten, eilte ich weiter, und er sauste geräuschvoll ins Laub hinter mir davon, als verschaffe er so seinem Unwillen Luft.
Ich hatte, im Tempel der Synergisten angerufen, ich hatte herausfinden wollen, ob Midge da war, aber die Verbindung war so katastrophal gewesen, daß ich die Stimme am anderen Ende der Leitung kaum hatte hören können; jede vernünftige Unterhaltung hatte von vornherein zum Scheitern verurteilt sein müssen. Aber instinktiv wußte ich, daß sie dort war, und ich ärgerte mich darüber; unfaßbar, daß sie abgewartet hatte, bis sie allein gewesen war . . . daß sie sich buchstäblich davongestohlen hatte. Ohne etwas zu sagen, hatte ich wieder aufgelegt.
Vorausgesetzt, sie hatten Midge nicht mit einem ihrer Wagen abgeholt, mußte sie sich für den Waldweg entschieden haben, um zu ihrem Tempel zu gelangen, und deshalb hatte auch ich diesen Weg genommen: Falls sie bereits auf dem Rückweg war, wollte ich sie nicht verpassen. Außerdem war dieser Weg kürzer; mit dem Wagen und auf der sich dahinschlängelnden Straße nahm man einen Umweg in Kauf.
Wenn sie nur auf mich gewartet hätte; dann hätte ich Gelegenheit gehabt, sie in alles einzuweihen, was ich erfahren hatte. - Blieb die Frage, ob sie den Synergisten dann auch noch so vorbehaltslos vertraut hätte. Ich beschleunigte meine Schritte.
Die Buchillustration war eine weitere Zutat zu dem Gebräu, das meinem Gefühl nach irgendwo im Verborgenen zu kochen anfing. Jetzt verstand ich immerhin, weshalb mir Gramarye damals, bei unserem allerersten Besuch, so eigenartig vertraut vorgekommen war. Und weshalb ich ein so blasses Wiedererkennen empfunden hatte, als ich Wochen später auf Midges Bild hinabschaute. Val Harradine hatte die Verbindung hergestellt, wenn auch nicht sofort; sie hatte erst Midges Arbeiten durchsehen müssen, um sicher sein zu können. Dieses Detail der Buchillustration war so klein, aber andererseits war Midges Stil peinlich exakt und realistisch, einem jedem Teil der Komposition war liebevolle Aufmerksamkeit geschenkt. Das Cottage auf dem Bild war sogar von einem farbenprächtigen Garten umgeben, der bis an die Tür hinanreichte.
Und da war eine Gestalt unmittelbar jenseits der Türschwelle gewesen; ein dunkler Umriß, kaum mehr als ein Schemen.
Es ist verrückt, sagte ich mir immer wieder. Ganz und gar verrückt! Ein Märchenbuch, nichts weiter. Eine Gutenachtgeschichte für Kinder. — Trotzdem, hier war ich und jagte durch den Wald, um meine Maid aus höchster Not zu erretten, ein verzweifeltes Unterfangen, sie den elenden Klauen des bösen alten Hexenmeisters zu entreißen oder des Zauberers oder Mystikers oder wie man diese Gebrüder-Grimm-Charaktere auch nennen mochte, deren Magie so düster, um nicht zu sagen, schwarz, war. Fehlte nur noch das weiße Streitroß.
Yeah, lustig.
Ich fiel in einen ausdauernden Wolfstrab; ich wußte Bescheid. O ja, ich wußte Bescheid.
Weil ich lernte, meinen eigenen natürlichen Glauben außer Kraft zu setzen. Wie wir das eines Tages alle einmal lernen müssen.
Ein- oder zweimal dachte ich schon, ich hätte mich im Wald verirrt, aber stets entdeckte ich kurz darauf etwas, das ich wiedererkannte — den umgestürzten, modernen Baum, eine besonders eigenartig
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