Magical Village 1 Zimt und Zauber
einmal sah, wie Doll und Brett in enger Umarmung tanzten und sich dabei tief in die Augen blickten.
»Lass sie lieber in Ruhe, Mitzi«, gluckste Flo vom Sofa aus, wo sie doch tatsächlich auf Clydes Schoß saß. »Wie gesagt, die beiden brauchen ein bisschen mehr Pep. Das ist eine richtig gute Party. Komm und trink was.«
Mitzi drängte sich mithilfe der Ellbogen durch die Tanzenden, nahm sich ein Glas Himbeer-Sellerie-Wein und eine Handvoll Kürbisküsse und wollte sich gerade zu Flo und Clyde aufs Sofa gesellen, als es erneut an der Tür klingelte.
»Garantiert schon wieder solche Racker, die Süßigkeiten erpressen wollen«, knurrte Clyde durch seinen Schnurrbart, der eine leuchtend grüne Färbung angenommen hatte. »Soll ich mir die kleinen Schurken vorknöpfen?«
»Ich gehe schon.« Mitzi schluckte das letzte Stückchen des Kürbiskusses hinunter und trank ihr Glas leer. »Lav tanzt hoffentlich noch immer oben Polonaise, dann kann ich die Neuankömmlinge vielleicht am Eindringen hindern.«
Mann, dachte sie, als sie in die dunkle Diele hinausstolperte, der Wein ist wirklich stark. Mir ist ganz schwummrig. Ich sehe drei Haustüren.
Sie fummelte am Türschloss herum und zog die Tür schließlich einen Spalt weit auf. »Geht weg. Bitte. Wir wollen nicht noch mehr – oh!«
Vor der Tür stand Dracula.
»Lass mich rein, Mitzi. Es ist saukalt hier draußen«, lispelte Dracula durch zwei furchterregende Reißzähne. »Ach, diese blöden Dinger.« Er spuckte sich die Zähne in die Hand. »Was ist denn hier los? Also, von draußen sah es dunkel aus, aber ich dachte, bei dir sei vielleicht der Strom ausgefallen. Der Wind zerrt wie verrückt an den Leitungen in Richtung Winterbrook, und das heißt meistens -«
Mitzi sah Lance fragend an. »Warum bist du angezogen wie Christopher Lee? Es ist keine Kostümparty, und du bist auch gar nicht eingeladen, oder?«
»Brauche ich eine Einladung in mein eigenes Haus – äh – mein früheres Haus?« Lance runzelte die Stirn. »Ich wusste gar nicht, dass du eine Party gibst, oder? Ah, doch, ich erinnere mich dunkel daran, dass du gesagt hast, du willst heute Abend eine kleine Fete für die Nachbarn machen, aber ich habe nicht erwartet – guter Gott! Was war das denn? Wer treibt sich denn da oben herum?«
»Die Hälfte der Dorfjugend von Hazy Hassocks und noch ein paar andere Leute.« Mitzi strahlte. Sie wusste gar nicht, ob sie das wollte, doch ihr Mund ließ ihr keine Wahl. »Aber
jetzt, wo du schon mal da bist, kannst du ruhig reinkommen.«
»Hast du was getrunken?« Lance trat in die Diele und tätschelte seine nach hinten gegelte Vampirfrisur zurecht. »Und – rieche ich da etwa Marihuana? Stimmt doch, oder? Mitzi, ich dachte, das hätten wir alles Anfang der Siebziger hinter uns gelassen. Und was hast du eigentlich mit deinen Haaren gemacht?«
Sie strahlte noch ein bisschen mehr. Lance sah sehr attraktiv aus als Dracula. Er besaß die richtige Knochenstruktur. Und er hatte ihr ein Kompliment über ihre Frisur gemacht – na ja, mehr oder weniger. Das Strahlen wurde noch etwas breiter. »Wenn du gar nicht zu meiner Party kommen wolltest, warum hast du dich dann verkleidet? Aber es steht dir. Du Blutsauger.«
Lance sah noch schockierter drein. »Offen gestanden sind Jennifer und ich auf dem Weg zu Tarnia. Sie gibt einen Halloween-Ball. Ich brauche meinen weißen Schal, damit mein Kostüm vollständig ist. Den hab ich doch hier vergessen, erinnerst du dich? Und da wir gerade zufällig vorbeigekommen sind …«
Mitzi wieherte vor Lachen. Erstaunlich. Sie begriff überhaupt nicht, warum. Sie hatte gar nicht vorgehabt zu lachen. Dass Lance und Jennifer zu einem Ball in Tarnia und Schnösel-Marks Palast des schlechten Geschmacks gingen, war gewiss nicht zum Lachen. Sie versuchte mit aller Kraft aufzuhören, doch es ging nicht.
»Du hast was geraucht, stimmt’s?« Lance sah sie aus schmalen Augen an. »Davon bist du schon damals immer total albern geworden.«
Das stimmte, musste Mitzi sich benebelt eingestehen. Vor
unendlichen Jahrzehnten, als sie und Lance noch sehr, sehr jung und hippiemäßig verliebt gewesen waren. Doch das harmlose Freizeitvergnügen mit weichen Drogen hatte ein Ende genommen, als sie geheiratet, einen Kredit auf ein Haus aufgenommen, Kinder bekommen hatten und respektable, verantwortungsvolle Bürger geworden waren.
»Du siehst gut aus mit Make-up«, schmeichelte sie ihm, nach wie vor mit strahlendem Lächeln. »Noch mehr wie David Bowie.
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