Magical
du also über mich.«
»Nein.«
Sie wandte sich zum Gehen. »Wasch ab, wenn du fertig bist.«
Ich wusste, ich hätte ihr nachgehen und sagen sollen, dass ich es nicht so gemeint hatte, dass ich nicht zur dunklen Seite überlaufen würde, zu Lisette. Aber ich hatte es so gemeint. Mutter war der Bösewicht in der Geschichte. Lisette war das Opfer. Ich hatte nie zuvor darüber nachgedacht, hatte nie darüber nachdenken müssen. Jetzt hatte ich es getan, und was man einmal gedacht hat, kann man nicht mehr rückgängig machen. Außer man hatte einen Autounfall, bei dem man einen Hirnschaden erlitt – das wäre vielleicht einfacher, als die ganze Zeit nachzudenken, würde dafür aber andere Probleme mit sich bringen.
Trotzdem, ein Teil von mir wusste, dass Lisette michabsichtlich zurückgelassen hatte. Mutter hatte recht. Ich wollte es nur mir selbst oder Mutter gegenüber nicht eingestehen.
Ich saß den ganzen Tag in meinem Zimmer, ich las und ging Mutter aus dem Weg. Lisette kam mit Daddy nach Hause, ihre blauen Augen leuchteten wie der Sonnenbrand, von dem ich wusste, dass er sich bald in Bräune verwandeln würde. Sie klopfte an meine Tür.
»Ich habe heut morgen versucht, dich aufzuwecken«, sagte sie, bevor ich fragen konnte. »Aber du hast mich nur angeschrien, dass ich weggehen soll.«
»Echt? Daran erinnere ich mich gar nicht. Ich dachte, ich hätte den Wecker gestellt.«
»Mm, es ist so seltsam, wenn solche Sachen passieren. Einmal hat meine Mom mitten in der Nacht die Katze hinausgelassen und sich dabei ausgesperrt. Sie hämmerte an die Tür, bis ich sie hereinließ, sagte sie, aber am nächsten Morgen konnte ich mich nicht mehr daran erinnern. Obwohl ich aufgestanden war und alles.«
»Das ist ja merkwürdig.«
»Ich meine – vielleicht war es ja so.«
Ich nickte. »Wahrscheinlich.« Es klang, als wäre es möglich. Ich war wirklich lang auf gewesen. Normalerweise ging ich ungefähr um halb elf schlafen.
»Jedenfalls haben wir dich vermisst.«
Ich wollte das Thema wechseln, deshalb fragte ich sie, ob sie sich mal dieses Lied anhören wollte, das mir gefiel (mein iPod war wundersamerweise unter meinem Bettwieder aufgetaucht, obwohl ich dort fünfmal nachgeschaut hatte). Sie wollte. Als Mutter uns zum Abendessen rief, ließ ich ihr über Lisette ausrichten, dass es mir nicht gut ginge. Ich konnte Mutter nicht gegenübertreten.
Es überraschte mich nicht, als es eine Stunde später an meine Tür klopfte. Ich schloss auf und fürchtete, Mom vor mir zu haben. Ich ging wieder zurück zu meinem Bett und meiner Ausgabe von Verstand und Gefühl, die ich gerade zum fünften Mal las.
»Geht es dir besser?«
Ich wandte mich um, erschrocken, Dads Stimme zu hören. »Was?« War er gekommen, um mit mir über meinen Streit mit Mutter zu sprechen? Natürlich nicht. Sie würde ihm nie sagen, was ich gesagt hatte. »Oh, ja. Besser.« Ich hob mein Buch auf, das ich fallen gelassen hatte.
»Gutes Buch?«
»Ja.« Es war ihm gleichgültig. Er las nicht viel außer der Zeitung. Es war einfach eines von diesen Dingen, die Eltern so tun – Fragen stellen, nur um einen zum Reden zu bringen.
»Ich habe in letzter Zeit nicht besonders viel von dir zu sehen bekommen«, sagte er.
Vielleicht hättest du mich heute Morgen nicht zurücklassen sollen. Aber ich sagte es nicht. Ich war wieder die Ruhige, die nicht auf Konfrontationskurs geht. Ich hatte den Ausbruch des Jahrzehnts ja bereits hinter mir. Ich sagte: »Nächstes Mal möchte ich auch segeln gehen.«
Er nickte und erwähnte nichts davon, dass Lisette versucht hatte, mich aufzuwecken. Ich fragte mich, ob das überhaupt stimmte. Stattdessen sagte er: »Wie kommen du und Lizzie denn miteinander aus?«
»Lizzie?« Die Frage überraschte mich. Dad war normalerweise nicht derjenige, der Probleme suchte, wo keine waren. Das überließ er meiner Mutter. »Großartig. Gut. Sie ist supernett.«
»Würdest du es mir sagen, wenn es ein Problem gäbe?«
Nein. »Natürlich. Aber da ist keins.« Mein Buch fiel zu und ich wusste nicht mehr, wo ich war. Glaubte er denn, dass es ein Problem gab? Verdächtigte er zum Beispiel Lisette, dass sie mich absichtlich versetzt hatte?
»Weil Lizzie mir erzählt hat, dass sie sich Sorgen macht, du könntest eifersüchtig auf sie sein.«
»Eifersüchtig? Warum sollte ich eifersüchtig sein?« Nur weil sie dünn, blond und vollkommen war, wie ein Opernstar sang und meine alten Freundinnen sie so sehr mochten, dass sie sogar mich dafür in
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