Magical
schien.
»Kannst du … mir helfen?«
Ich drehte mich um und blickte über das stille, schwarze Wasser. Es war ein Junge, der etwa in meinem Alter oder ein bisschen älter war. Er war jedoch hübscher als jeder Junge aus dem Meervolk, den ich je gesehen hatte. Seine Haare waren hellbraun und seine Augen so schwarz wie Miesmuscheln.
Ich wusste, dass er sterben würde.
Ich wusste auch, dass ich ihn trösten, dass ich ihm meine Hand reichen und ihm versichern sollte, dass er für immer im Himmel weiterleben würde. Doch ich wollte nicht, dass er starb. Er war so schön, und ich wollte, dass er lebte. Ich wollte, dass er mit mir lebte.
Mit einem Instinkt, der so sicher war wie der, mit dem ich Fische fing oder schwamm, stürzte ich mich in dieeisigen Fluten und schwamm auf ihn zu. Als ich da war, packte ich den Jungen und schlang meine Arme um ihn. Er hatte weiche, weiße, wolkenartige Kleidung an, durch die ich seinen Herzschlag spüren konnte. So langsam! Lag es daran, dass er im Sterben lag?
Mein Instinkt sagte mir, dass ich ihn nach unten ziehen sollte, um ihn mit nach Hause in unser Schloss zu nehmen. Ich wusste, dass er unter Wasser nicht atmen konnte. Wenn ich ihn mit mir nähme, würde ich nichts gewinnen außer einem schönen, erfrorenen Leichnam.
Aber sein Schiff war weg. Ich konnte es unter Wasser sehen, sein goldener Inhalt trudelte auf den Meeresboden zu. Das Ufer war so weit weg, dass ich mir sicher war, dass der Junge mit dem schwachen Herzschlag sterben würde, bevor er es erreichte.
Und dann sah ich das Licht.
Zuerst dachte ich, es wäre der Mond, der sich auf den schwarzen Wogen spiegelte. Doch dann traf es auf meine Augen und ich sah, dass es ein menschliches Licht war, so wie ich es an Schiffen gesehen hatte, die des Nachts vorüberzogen. Da war jemand!
Ich durfte keine Zeit verlieren, deshalb packte ich den Jungen fester und begann, auf das Licht zuzuschwimmen. Er stöhnte leise, als er hinfortgezogen wurde. Ich nahm es als ein Zeichen, dass er noch lebte, und sagte: »Ja! Ja! Vorwärts! Nur noch einen Moment! Bitte, stirb nicht!«
»Was? Wer?«
»Ich bin Doria. Ich werde dich retten.«
Er wurde schlaff in meinen Armen. Trotzdem hörte ich sein Herz schlagen. Keine Zeit zu sprechen. Meine Arme umklammerten ihn. Mein Schwanz wirbelte herum. Ich stürzte mich durch das eisige Wasser vorwärts.
Das Licht? Wo war das Licht? War es nur eine Illusion, hervorgerufen durch meine verzweifelten Hoffnungen? Ich drehte mich zur einen Seite, dann zur anderen und suchte nach einer Spur davon. Nichts.
»Wer ist da?« Eine Stimme!
»Da ist niemand«, sagte eine andere Stimme. »Niemand kann so lange in so kaltem Wasser überleben.«
Die Menschen! Sie waren da! Ich schlug mit dem Schwanz, ungeachtet des Risikos, entdeckt zu werden. Ich dachte an nichts anderes als an den hübschen Jungen in meinen Armen und dass er in der gleichen Welt wie ich leben sollte.
»Da ist jemand! Er planscht!«
Ich schwamm mit dem Jungen ein wenig näher an das kleine weiße Boot heran. Ich winkte.
»Er ist hier! Holt ihn!«
»Nein, Mr Lowe! Das Boot wird kentern!«
»Wir können ihn nicht einfach sterben lassen!«
Ich schwamm durch das schwarze Wasser, hielt immer noch den Jungen fest und schob ihn vor mir her. Sie konnten ihn nicht zurücklassen. Endlich berührte ich mit einer Hand die Seite des Bootes.
»Hey, es sind zwei!«
Sie durften mich nicht sehen, durften mich nicht finden.Ich versuchte, den Jungen vor mich zu schieben, sodass er mich verdeckte. Sobald sie ihn nahmen, würde ich wegschwimmen. Ich hatte meinen Teil getan. Ich hatte ihn gerettet.
Und dann spürte ich etwas, Hände auf meinen Schultern, die mich hochhoben und nicht nur den Jungen, sondern uns beide in das Boot zogen.
Ich versuchte, mich zu wehren, zu verhindern, dass ich hineingezogen wurde. Sie konnten mich nicht sehen. Aber wenn ich mich weigerte mitzukommen, würde mich das auch entlarven. Schließlich ließ ich zu, dass sie mich aus dem Wasser hoben, und klemmte im Schutz der Dunkelheit den Schwanz unter mich. Die Wahrheit war, dass ich bleiben wollte. Die meisten Passagiere des kleinen Bootes hatten glasige Augen vor Schlaflosigkeit und vielleicht Angst und starrten vor sich hin. In einer Ecke döste eine junge Frau mit blondem Haar, das meinem ähnelte. Nur die zwei Männer, die uns herausgezogen hatten, schenkten uns Aufmerksamkeit.
Nein. Ein dritter Passagier, eine junge Frau, ebenfalls. Ihr Blick zuckte nach unten. Sie hatte
Weitere Kostenlose Bücher