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Magical

Magical

Titel: Magical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Flinn
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meinen Schwanz gesehen. Da war ich mir sicher. Ich wollte über Bord springen. Aber als sich unsere Blicke trafen, ließ sie sich nicht anmerken, dass etwas nicht stimmte. Sie sagte. »Oh, Sie armes Ding. Hier, nehmen Sie meinen Mantel.«
    Bevor ich protestieren konnte, hatte sie ihn ausgezogen und wickelte ihn um mich herum. Es war ein langer Mantel, der jede Spur dessen, was ich war, verbarg.
    »Armes Ding«, gurrte sie wieder. »Sie müssen ja halb erfroren sein. Wie heißen Sie?«
    Ich blickte den Jungen an. Wie es aussah, war er bewusstlos. Doch ich konnte sehen, dass er atmete, denn er klapperte mit den Zähnen. »Es geht mir gut. Helfen Sie ihm.«
    »Ich werde euch beiden helfen.« Sie legte mir die Hände auf die Schultern, und plötzlich wurde mir warm, wie an einem Sommertag im Golf von Mexiko. »Besser?«
    »Ja.«
    Mit dem Jungen machte sie das Gleiche. Seine Zähne hörten auf zu klappern.
    »Ich bin Bessie«, sagte die Frau. Ihre Augen waren schön grün.
    »Danke Bessie. Sie haben ihm – uns – das Leben gerettet.«
    Der Junge starrte mich an. Zu meinem Erstaunen hatte er sich so weit erholt, dass er bereits sprechen konnte. »Du hast meines gerettet. Ich habe … in diesem Wasser gezappelt und um mich herum überall den Tod gesehen. Mir lief die Zeit davon. Aber dann sah ich dein Gesicht, das Gesicht eines Engels. Woher bist du gekommen?«
    Ich war wie vor den Kopf geschlagen. Wie konnte ich mein plötzliches Erscheinen erklären?
    Bessie sagte: »Dummer Junge. Sie war die ganze Zeit im Wasser. Wo soll sie denn sonst gewesen sein?«
    »Ich weiß nicht.« Seine schwarzen Augen glänzten. Die Augen des Meervolks hatten die Farbe der See. Seine waren so schön. »Sie schien aus der Tiefe zu kommen.«
    Bessie sah mich aus den Augenwinkeln an. »Aus der Tiefe? Dann wäre sie tot, aber ganz sicher!«
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Sie schien wie durch Zauberei aufzutauchen.«
    Bessie lachte und wandte sich wieder mir zu. »Habe ich Ihre Kabine geputzt, Miss? E-Deck?«
    Ich hatte mich genug erholt, um zu sagen: »Oh, ja. Ja.« Ich hatte keine Ahnung, was eine Kabine war. Oder ein Deck. Aber ich merkte, dass sie das Thema wechseln wollte. »Ja.«
    »Nicht dass das jetzt noch eine Rolle spielen würde. Ihre Kabine und alles, was darin war, ist auf den Meeresgrund gesunken. Untergegangen. Verloren.«
    »Verloren«, wiederholte ich und erinnerte mich an das große Schiff, das ich gesehen hatte, das noch immer tiefer und tiefer sank. Wie viele waren an Bord, als es zu sinken begann? Wie viele waren schlafen gegangen, um nie mehr aufzuwachen?
    »Zweitausendzweihundertdreiundzwanzig«, sagte Bessie.
    »Was?«, fragte ich.
    »So viele waren an Bord«, sagte Bessie. »Und wir paar auf den Booten, alles in allem siebenhundertsechs, sind die Einzigen, die überlebt haben. Der Rest schläft tief, tief unter den Wellen.«
    »Ihre Seelen sind im Himmel!« Ich konnte sie mir ausmalen, ihre Seelen, weiß wie Engel, die durch die Luft hinauf flogen und überhaupt nicht wie die aufgedunsenenKadaver aussahen, die um mich herum im Wasser getrieben hatten.
    »Ich wäre auch dort, wenn du nicht gewesen wärst, mein Engel!«, sagte der Junge.
    »Oh, nein, nein«, protestierte ich. Meerjungfrauen durften keine Menschenleben retten. Wir durften ja kaum zuschauen.
    »Doch, das hast du!«, sagte er.
    »Nein!« Ich wäre am liebsten geflohen, vom Rettungsboot gesprungen und davongeschwommen. Und doch wollte ich das nicht, weil ich länger neben diesem Jungen sitzen wollte, dessen Gesicht mit jedem Augenblick, der verstrich, schöner wurde.
    Stattdessen tat ich das Einzige, was mir einfiel.
    Ich sang. Ich sang eines der Lieder des Meervolkes, und meine hohe, glockenhelle Stimme ertönte in der kalten, sternenklaren Nacht.
    Tief unten im Meer in Algenruh,
    auf Muscheln gebetet, schließt die Augen er zu.
    Am Meeresgrund schlummert mein Liebster fein
    Bald wird er zu Meerschaum und ist nicht mehr mein.
    Augen wie Sterne, doch er schlief
    Unter dem Ozean, dunkel und tief.
    Am Meeresgrund schlummert mein Liebster fein
    Bald wird er zu Meerschaum und ist nicht mehr mein.
    Die Nixen singen ein Schlaflied ihm,
    Weine nicht, Liebster, lass sie ziehn.
    Am Meeresgrund schlummert mein Liebster fein
    Bald wird er zu Meerschaum und ist nicht mehr mein.
    Als ich zum dritten Mal den Refrain sang, stimmte Bessie mit ein, danach auch der Junge und die anderen. Sie sangen alle mit. Als ich mich umschaute, sah ich, dass ihre Augen glänzten und sie

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