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Magical

Magical

Titel: Magical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Flinn
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sie mich nachäffen. Ich ließ mich von dem Felsen gleiten, der über meinen Körper schrammte. Weinend hing ich im Wasser. Ich konnte nirgendwohin.
    Der Himmel verdunkelte sich und es wurde kalt. Ich hing weiterhin in der Nähe des Ufers herum, obwohl das Dock eine Barriere war, die ich nicht überwinden konnte. Trotzdem wollte ich dort bleiben. Ich wollte in seiner Nähe sein.
    Eine Stimme unterbrach meine aufgewühlten Gedanken.
    »Hey, ich kenne dich.«
    Ruckartig hob ich den Kopf. Natürlich konnte es nicht sein, dass der Mensch – es war eine Frau – mit mir sprach.
    Doch die Stimme fuhr fort. »Ja, du, Meerjungfrau. Icherinnere mich an dich. Du dachtest wohl, ich hätte nicht gemerkt, wie du letzte Woche das Boot verlassen hast.«
    Ich fand meine Stimme wieder. »Boot?«
    »Rettungsboot vierzehn? Die Titanic? Das kannst du nicht vergessen haben. Niemand könnte diese Nacht vergessen, selbst wenn er dreihundert Jahre lebte. Du bist die, die diesen Jungen aus dem Wasser geholt hat.«
    Ich starrte sie an. Es war Bessie, das Mädchen aus dem Rettungsboot. Sie wusste vielleicht, wo er war!
    »Hast du den Jungen gesehen? Bist du von der Carpathia an Land gegangen?«
    »Ja, aber du nicht. Jetzt weiß ich, warum … auch wenn ich es schon damals vermutet hatte. Ich habe auf dem Boot deinen Schwanz gesehen und dein Lied gehört. Es war ein Lied der Meerjungfrauen.«
    »Du wirst es doch … niemandem verraten?«
    »Wer würde mir schon glauben?«
    Mir fiel wieder ein, wie meine Großmutter gesagt hatte, dass sich die Menschen für die einzigen denkenden Lebewesen auf Erden hielten.
    »Ist der Junge noch am Leben?«, fragte ich.
    »Ja, er war einer der glücklichen siebenhundertsechs, die überlebt haben.«
    »Siebenhundertsechs.« Ich erinnerte mich daran, dass sie diese Zahl schon in dem Boot erwähnt hatte. Woher hatte sie das damals schon gewusst? Aber vielleicht hat sie sich das damals auch nur ausgedacht und jetzt auch.
    »Warum bist du hier?«, fragte ich.
    »Das ist eine unverschämte Frage.«
    »Entschuldige bitte.«
    »Schon gut. Ich werde es dir sagen. Ich bin hier, weil ich wusste, dass du zurückkommst. Ich habe es in deinen Augen gesehen. Du bist verliebt.«
    Verliebt. Ich hatte das Wort bisher nicht benutzt. Doch als Bessie es sagte, wusste ich, dass es stimmte. Warum sonst wäre ich so weit geschwommen, hätte mich Vater und Großmutter widersetzt und meine Entdeckung riskiert, wenn nicht aus Liebe? Liebe! Das war das schönste Wort der Welt, aber auch das Furcht einflößendste. Ich drückte den Schwanz gegen die harten, kratzigen Rankenfußkrebse, mit denen der Fels überzogen war. Ich drückte noch fester, sodass mein Schwanz wehtat und mir Tränen in die Augen stiegen.
    »Was ist?«, fragte Bessie.
    »Ich werde ihn nie wiedersehen.«
    »Warum nicht? Du bist hier.«
    »Klar. Ich gehe einfach auf den Händen, bis ich ihn finde.«
    »Ah, aber ich weiß, wo er ist.«
    Ich lachte.
    »Das stimmt. Immerhin wusste ich auch, wo du bist … Doria.«
    Ich zuckte zusammen, als sie meinen Namen sagte. Ich hatte ihn damals nicht erwähnt.
    »Dachtest du, es wäre bloßer Zufall, dass ich genau da bin, wo du bist?«
    »Was könnte es sonst sein?«
    »Auf dieser Welt gibt es nur wenige Zufälle. Das, was man für Zufall hält, ist in Wirklichkeit Zauberei.«
    Zauberei. Viele glaubten, dass das Meervolk Zauberkräfte besäße, dass es Zauberei sei, wenn unsere Gesänge die Seeleute in den Tod lockten. Doch es war keine Zauberei, eher Pech und guter Gesang. Es gab jedoch Meerjungfrauen, die Zauberkräfte hatten. Ich war angewiesen worden, mich von ihnen fernzuhalten.
    Das musste sich wohl in meinem Gesicht widergespiegelt haben, denn Bessie sagte: »Hast du jetzt Angst vor mir? Nicht alle Hexen sind böse, weißt du?«
    »Natürlich nicht.« Aber ich konnte nicht verhindern, dass meine Stimme bebte. Trotzdem sagte ich: »Woher weißt du, wo er ist?«
    »Ah, würdest du ihn gern sehen?«
    Ob ich ihn sehen wollte? Ich hatte gedacht, dass sich mir sein Gesicht für immer ins Gedächtnis eingebrannt hätte, und doch war das Bild innerhalb von nur einer Woche weniger scharf geworden, als würde man jemanden durch trübes, aufgewühltes Wasser anschauen.
    Bessie wartete meine Antwort nicht ab, sondern griff stattdessen in die Tasche, die sie bei sich hatte, und zog einen silbernen Gegenstand mit langem Griff heraus. Ich kannte ihn aus den Geschichten, die mir Großmutter über die Menschen erzählt hatte. Ein Spiegel. Die

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