Magie der Schatten: Roman (German Edition)
der kaiserlichen Schmieden sehen konnte.
Der Junge fuhr mit den Fingern seiner zusammengebundenen Hände über die Schneide. »Es ist völlig stumpf. Von vorne bis hinten.«
»Ich habe es an Wüstenfelsen stumpf gefeilt.«
»Wieso solltest du so etwas tun?«
»Um damit niemanden mehr töten zu können. Nicht mehr so leicht zumindest. Zum Entwaffnen ist eine stumpfe Klinge so gut wie eine scharfe, und zu mehr habe ich das Schwert nicht mehr benutzt.«
Der Junge sah sich im Stall um. Wenn er eine Entgegnung suchte, dann fand er sie augenscheinlich nicht.
»Du hast den Überfall auf die Kutsche befohlen.« Seine Stimme klang mühsam beherrscht.
Ein kalter Hauch wehte durch Raigars Brust. »Ja, es ist mein Plan gewesen.«
»Und ihr wolltet Gold. Es ist nicht anders als in dem Buch mit den schwarzen Männern.«
Raigar bemerkte, wie er die Finger ineinanderklammerte. Dieses Mal war er es, der keine Antwort fand. Er knüllte sein Gepäck zusammen und schob es beiseite.
»Da du bereits die Kraft gefunden hast, mich zu beschimpfen, kannst du mir nun vielleicht auch deinen Namen nennen.«
Der Junge blieb zusammengesunken sitzen. »Elarides de Mesko.«
»Mesko. Das Könighaus des Südreichs. Die Männer hatten nicht ganz unrecht, als sie dich Prinzessin nannten, auch wenn sie es mit dem Geschlecht nicht ganz getroffen haben. Oder bist du der König? Ein Kindkönig, wie es bei den Altvorderen Sitte war?«
»Wie ist dein Name?«, fragte der Junge.
»Raigar.«
»Und weiter?«
»Wie, weiter?«
»Dein Nachname«, sagte der junge Adlige.
»Ist das ein Test? Ich habe keinen Nachnamen. Niemand aus dem gewöhnlichen Volk hat einen. Nur Angehörige von Adelshäusern haben das Privileg, Nachnamen zu tragen.«
Elarides wirkte ehrlich erstaunt. »Aber … woher weiß man dann, wer deine Mutter und dein Vater sind?«
» Ich weiß, wer sie waren. Und niemanden sonst geht es etwas an.«
Der Junge öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Er unterließ es und setzte neu an. »Ich bin der Prinz, ja.«
Raigar lachte leise und bitter. »Eine ziemliche Prüfung für einen Thronfolger, aus seiner goldenen Kutsche gerissen und hineingeworfen zu werden in ein Rudel stinkender Hunde.«
»Habt ihr … alle eure Schwerter stumpf gefeilt?«, fragte Elarides.
Wieder lachte Raigar. »Die Männer waren froh, als sie von deinen Wachen die einmalig scharfen Klingen bekommen haben … Hör mal, wir haben neben den Schwertern auch noch diese Kiste bei uns, die aus der Kutsche. Du weißt sicher, was darin ist.«
Elarides blickte finster. »Ich weiß sogar, wie man sie öffnet. Aber ich werde den Teufel tun und euch dabei helfen.«
»Das nehme ich dir nicht übel.«
Die Stalltür öffnete sich. Jemand trat ein. »Du bist dran.«
Der alte Steinchen trottete durch die Tür, eine Hand an seinem Steinsäckchen am Gürtel, die andere hielt eine Laterne. »Ich hoffe, du hast gut geschlafen.«
Elarides kehrte wieder zurück in seine stumme Starre.
»Hm. Nein. Hab wachgelegen«, antwortete Raigar.
»Was macht der Kleine? Immer noch stumm wie ein Stein?«, fragte der Alte, grinste kurz und ließ sich dann ächzend an Raigars Seite nieder, während der aufstand.
»Noch kein Wort von ihm gehört. Er ist vielleicht nicht nur stumm wie ein Stein, sondern auch taub wie einer.«
Ein kurzes, winziges Blitzen in den Augen des Jungen.
Raigar nahm Steinchen die Laterne ab und erhob sich. Neben ihm klapperte es dumpf auf dem Boden. Unter Steinchens Aufsicht ergoss sich der Inhalt seines Beutels über den mit Halmen bedeckten Stallboden. Der Alte ließ die Hände über den Kieseln kreisen. »Das ist seltsam. Die Steine sagen mir, dass dort draußen der Tod auf dich lauert.«
»War er denn schon da, als du draußen deinen Posten verlassen hast?«, fragte Raigar.
»Nein …«, sagte Steinchen zögerlich.
»Dann muss er in der Zwischenzeit gekommen sein. Ich frage ihn, ob ich dir etwas von ihm ausrichten soll.« Als der alte Wahrsager grübelnd die Brauen zusammenzog, sagte Raigar: »Das war ein Scherz. Ich werde darin schon noch besser.«
Eine Hand in das Eisen seines Panzerhandschuhs gehüllt, in der anderen die Laterne, ging Raigar über den Hof zu seinem Posten am Waldrand. Sie hatten dem Bauern ihre Dienste als Wächter angeboten, um seine Habe zu schützen – mit dem Hintergedanken natürlich, vor allem sich selbst zu schützen. Immer zwei oder drei Männer hielten zusammen Wache, und sie wurden abwechselnd ausgetauscht, um immer mindestens
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