Magie der Schatten: Roman (German Edition)
Wo eben noch der Weg hinaus auf die Straße gewesen war, verbanden sich die Hecken nun zu einer undurchdringlichen Wand.
Aus der leeren Luft heraus erschien Lenia. Mit großen Augen und geöffnetem Mund schaute sie zu den Seiten und in den Himmel. So musste auch er ausgesehen haben. Schließlich blickte sie Nairod an. »Was für eine Zauberkraft.«
»Aber Sax weiß, was er tut. Da bin ich mir sicher.«
Zwischen den hohen Gräsern raschelte es. Eine winzige Gestalt erstieg Nairods Stiefel. »Ja, und jetzt solltet ihr ohne mich keinen Schritt mehr tun.«
Nairod nahm den Wicht auf seine Hand und setzte ihn auf der Schulter ab.
»Habt keine Angst vor dem Irrgarten, so seltsam er beim ersten Betreten auch wirken mag. Ich kenne den Weg, und ich führe euch sicher.«
Nairod trat an die erste Wegkreuzung und schaute nach links und nach rechts. Beide Wege führten einige Meter geradeaus und bogen dann ab. »Woher weißt du, ob der Weg noch der ist, den du kennst? Ariman ist wahnsinnig genug gewesen, sich diese Todesfalle in seinem Garten anzulegen. Er könnte zu seiner Belustigung die Regeln des Spiels geändert haben. Vielleicht hat er nur so aus Spaß den Ausgang entfernt.«
»Nur die Ruhe.« Der Gnom tätschelte ihm den Kopf mit seiner winzigen Hand. »Wirf einen Stein nach links. Den Weg entlang.«
Lenia erschien neben ihm mit fragendem Blick, einen flachen Kiesel zwischen den Fingern.
Nairod nickte. »Na gut. Tu es.«
Sie warf. Kurz bevor der Stein die Abzweigung des Weges erreichte, schossen aus den Heckenwänden Ranken hervor, deren Enden spitz waren wie die von Speeren. Zwischen ihren Blättern trugen sie fingerlange Dornen. Raschelnd stießen sie in die Luft, packten den Stein und zogen sich blitzschnell zurück in die Mauern aus Grün. Nur noch einige abgerissene Blätter tanzten durch die Luft.
»So etwas macht Mut«, sagte Nairod.
»Mir auf jeden Fall«, sagte der Gnom. »Denn genau so habe ich es in Erinnerung. Nein, wisst ihr, ich glaube nicht, dass der alte Ariman seinen Irrgarten noch einmal hat umgestalten lassen. Dazu gäbe es keinen Grund. Außer mir ist es noch nie jemandem gelungen, das Labyrinth lebend zu verlassen.«
Lenia seufzte. »Ich weiß nicht, ob das mir Mut macht.«
Kapitel 15:
HOFFNUNG
Raigars Schwinger saß, die Metallfaust krachte in die Brust des Gegners. Die Eisenglieder klirrten beim Aufprall ineinander, und Brakas taumelte über den rauen Stein der Felsinsel zurück. Er gewann sein Gleichgewicht erst am Rand wieder. Die schäumenden, fauchenden Wasser spritzten ihm eine Ladung Gischt in die Kniekehlen. Raigar spürte die eiskalte Berührung ebenso. Seine Kleider hingen schwer vor Feuchtigkeit an ihm und zogen ihn stetig nach unten.
»Die Elemente hier sind gegen dich«, rief er über das Tosen der Stromschnellen hinweg. Seine Stimme hallte zwischen den Wänden der Schlucht wider, die sich eine Ewigkeit weit in die Höhe erstreckte. »Gib dich geschlagen.«
Brakas spuckte Wasser aus. Auch von seinen Kleidern tropfte die Nässe. »Ich töte dich, oder du tötest mich.« Es zischte. Dampf stieg von seinen Händen auf. Flammen krochen langsam über die Finger, und er stieß die brennende Hand nach vorn. Raigar hielt seine eiserne Faust dagegen. Er krallte sich in die hell leuchtenden Finger seines Gegners. Feuerzungen leckten an dem Metall, und die Hitze sickerte durch die Glieder des Handschuhs. »Keiner von uns muss sterben.«
Eine Welle brandete gegen die Felseninsel und sprühte Wasser über sie beide. Wo die Tropfen die Feuerhand berührten, sanken die Flammen zusammen und fauchten. Brakas öffnete den Mund und entblößte zusammengebissene Zähne. »Ich würde dir gerne glauben, dass es einen anderen Weg gibt, aber ich habe keine Wahl. Nein, einer von uns beiden muss hier sterben.«
Raigar riss Brakas zu sich und schlug ihm mit dem Ellenbogen des verletzten Arms gegen die Wange. Der Söldner ging in die Knie, sein magisches Feuer verging zischend im Sprühregen der Fluten. Raigar wurde vom Schwung seines eigenen Angriffs nach vorn getragen und stolperte an Brakas vorbei. Eine Welle traf ihn. Das salzige Wasser brannte an all den Stellen, an denen ihn der Feuerzauberer mit seinen magischen Flammen berührt und versengt hatte. Seine Hose hing in Fetzen, aber die Haut darunter war so dunkel verbrannt, dass es kaum einen farblichen Unterschied gab. »Du kämpfst gut«, keuchte Raigar, und auch Brakas atmete schwer. Raigars Knie sackten ein. Er taumelte um die eigene
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