Magie der Schatten: Roman (German Edition)
Achse, landete mit dem Hintern auf dem Felsen und stieß mit dem Rücken gegen etwas Hartes. »Leider hat dir jemand den Verstand aus dem Kopf gestohlen.«
Das Harte war Brakas’ Rücken, der ebenfalls auf dem Fels saß, stöhnend und atemlos. »Das kommt mir bekannt vor. Du wolltest jedem, der dich nach deiner Narbe am Kopf fragt, antworten: Es gibt keinen, der aus dem Krieg wiederkehrt, ohne mit einem Stück von seinem Kopf zu zahlen. « Er hielt ein Lachen zurück.
Raigar lehnte sich an den bebenden Körper seines ehemaligen Kameraden. Wie lange hatten sie gekämpft? Stunden, Tage? Aber über ihnen breitete sich noch immer der Sternenhimmel aus. »Da habe ich wohl Glück gehabt. Mir fehlt ein bisschen Fleisch und ein bisschen Knochen. Aber dir hat jemand in deinem Kopf herumgewühlt.«
»Nein, Raigar.« Brakas holte Luft. »Zum Wirken von Magie bedarf es eines klaren Verstands, und den habe ich, wie du gesehen hast. Ich weiß, was ich tun muss, wenn ich leben will.«
Gischt spritzte über ihn. Die Haare hingen ihm in dicken Strähnen ins Gesicht. Er schloss die Augen. »Du hast genug getötet. Mehr als genug.«
»Nicht genug für den Befehl, den ich erhalten habe, Raigar. Wir kämpfen jetzt auf verschiedenen Seiten. Es gibt kein Warum und kein Wieso . Es ist, wie es ist.«
Raigar lachte. »Wir töten uns wie Tiere, ich verstehe. Du hast vielleicht vergessen, was wir in der Wüste erlebt haben, aber ich nicht. Die Wilden, die sich die Zähne und Finger zu Klauen und Fängen gefeilt haben. Ihre meterlangen Sandwürmer, die einen Ochsen hätten verschlingen können. Die gigantischen Kriegsechsen, die sie aus irgendeiner dunklen Urzeit ausgegraben haben müssen. Du hast mich so oft gerettet wie ich dich.«
»Ich erinnere mich. Aber das ist eine andere Zeit gewesen. Vergangenheit. Die Sonnenuhren laufen vorwärts, immer vorwärts. Nicht rückwärts.«
»Dann bleibst du dabei?«
»Ja, Raigar. Tod für einen von uns beiden. Einen anderen Weg gibt es heute nicht.«
Raigar stemmte sich hoch. »Dann tut es mir leid, alter Freund.«
»So wie mir.« Auch Brakas stand wieder auf. Er hatte sich noch nicht halb aufgerichtet, da schmetterte Raigar ihm einen kurzen, heftigen Haken gegen das Kinn.
Brakas’ Miene gefror und erschlaffte dann. Er sackte zusammen, Raigar fing ihn über einem Arm auf.
Der Kampfmagier sah friedlich aus, wie er da so hing.
***
Er wartete bis zum Morgen.
Die Sonne enthüllte ihm steinerne Inseln in allen Größen und Formen, über die er auf ein niedriges Plateau an der Schluchtwand gelangen konnte. Bei ihrem gemeinsamen Sturz waren sie geradewegs in ein tiefes Wasserbecken gefallen und hatten sich an den Felsen rundherum allerhand kleinere Schrammen zugezogen. Aber sie hatten den Sturz überstanden und waren beinahe sofort aufeinander losgegangen.
Seine Ohren waren längst abgestumpft vom Rauschen und Wüten des Stroms hier am Grund der Schlucht. Die Sprünge mit Brakas’ zusätzlichem Gewicht auf dem Rücken ließen ihn vor Anstrengung keuchen. Schließlich machte er den letzten Satz auf die steinerne Plattform an der Felswand. Die zwei Hängebrücken, die der Stadt über ihm den Namen gaben, lagen in gefühlten hundert Metern Entfernung. Ein Hilferuf nach oben würde lange, bevor er die Menschen in der Stadt erreichte, verhallen.
Er ruhte sich aus, bis die Sonne höher gestiegen war und die Felsenwand vor ihm beschien. Allerorts zeigte ihr Licht ihm kleine Vorsprünge und aufs Wasser hinausragende Felsnasen, die für eine Kletterpartie viel zu instabil wirkten.
Dennoch machte er sich mit Brakas auf dem Rücken an den Aufstieg.
Mehrmals brachen ihm Felsen unter den Füßen weg, und er schaffte den Weg zum nächsten Halt nur mit Klimmzügen, ohne jegliche Unterstützung durch die Beine. Die Hand im eisernen Handschuh fühlte den Stein kaum und rutschte immer wieder ab. Die bandagierte Hand fasste den Stein sicherer, spürte aber dafür die Spitzen und Grate mit dreifacher Macht.
Der Weg führte ihn in gleichem Maße nach oben wie zur Seite. Er kletterte mit der Biegung des Flusses und um die Stadt herum, aber solange er höher kam, war das ohne Bedeutung.
Irgendwann blutete seine bandagierte Hand durch den Verband. Er schützte sie mit dem Eisenhandschuh und benutzte sie nur noch, um damit Brakas auf seinem Rücken zu halten. Der Mann schien mit jedem Meter mehr zu wiegen.
Raigar benutzte die gesunde Hand zum Klettern, und er setzte Brakas erst ab, als die Hornhaut an beiden
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