Magie der Schatten: Roman (German Edition)
hetzen. Oder … nun ja, eine andere Erklärung habe ich nicht. Vielleicht ein Fall von wilder Magie. Statt seine Magie auszulöschen, hat mein Bann sie auf ihn zurückgeworfen. Geschadet hat mir das Ganze jedenfalls nicht.«
»Ariman soll in der Tat ein Zauberer sein. Aber von Schatten habe ich nichts gehört, nein, er soll ein Gestaltwandler sein. Das sind natürlich auch nur Gerüchte. Aber zumindest würden sie erklären, wieso er so selten in der Stadt gesehen wird.«
»Ach was. Nach dem, was ich von ihm gesehen habe, würde ich schwören, dass Ariman auch so nicht besonders oft vor die Tür kommt.« Nairod stellte seine Teetasse wieder ab. »Was du schon wieder alles für Wissen gesammelt hast.«
»Ich habe mich etwas umgehört, außerdem hatte ich gestern ja Zeit, und es gibt hier in der Stadt auch eine kleine Bibliothek.« Lenia faltete die Hände im Schoß. »Ich habe noch mehr herausgefunden. Nairod … Sax ist nicht hier, oder?« Sie sah sich besorgt um.
»Erzähl schon.« Er leckte sich über die Lippen. Das, was er dann sagte, sprach nicht mehr er selbst, sondern jemand anders durch seinen Mund. »Nein, er ist nicht hier.«
Lenia zögerte einen Augenblick, dann zog sie ein Buch aus ihrem Mantel. Ein kleines mit dünnem Einband, der eher an verstärktes Papier als an Leder oder Holz erinnerte. »Ich habe mir etwas angelesen, über Erle. Es gab da etwas, an das ich mich erinnert habe, also habe ich nachgeschlagen …«
»Seltsam, dass du neuerdings einen Grund brauchst, um irgendetwas nachzuschlagen.« Nairod lachte leise.
»Es ist ernst«, sagte sie. In ihrem Schoß lag Morgans Mythen: Monstren und Magie. Sie schlug es auf und blätterte zum Buchstaben E . Sie passierten Erdgeister , Elementare und Erinyen , dann kam der Erl . Neben der Überschrift befand sich die Zeichnung einer in ihr eigenes Haar gekleideten Gestalt, die im Größenvergleich zu einem menschlichen Bein gezeigt wurde. Lenia fuhr mit dem Finger über den Text. »Erle … sind Magier, die ihre Macht verloren haben. Das weißt du schon. Aber es steckt noch mehr dahinter. Weißt du, weshalb sie ihre Macht verloren haben?«
»Nein. Ich wusste ja nicht einmal von ihrer Existenz, bevor du mich aufgeklärt hast.«
Lenia nickte. »Magier benutzen Kristalle, um ihre Macht zu steigern. Das weißt du. Aber es gibt eine Gefahr dabei. Magier, die oft auf Kristalle zurückgreifen, gehen dabei ein Risiko ein. Die Kristalle machen mächtig. Ein Magier kann sich leicht daran gewöhnen, wenn er sie zu häufig benutzt. Irgendwann passiert es dann, dass er gar nicht mehr ohne sie kann.«
»Das ist wohl so wie mit den alten Leuten. Wir drücken ihnen allen einen Gehstock in die Hand, und irgendwann glauben sie, sie könnten ohne ihn nicht mehr laufen.«
Lenias Finger bewegte sich suchend über die Buchseiten. »So ähnlich ist es vielleicht, ja. Aber ein Kristall vervielfältigt nur die Macht eines Zauberers. Wenn er ohne Kristallkraft überhaupt nicht mehr zaubern könnte, dann kann er es auch mit Hilfe der Kristalle nicht. Aber egal. Die Kristalle können jedenfalls zu einer Art Sucht werden. Man will immer mehr von ihnen, weil man sich an diese Steigerung der Macht gewöhnt hat. Man wird abhängig. Manche Menschen hören nicht mehr auf, Pfeifenkraut zu rauchen, manche hören nicht mehr auf, Kristalle zu verwenden.«
»Ja, ja. Ich habe verstanden.« Nairod warf einen Blick auf das Frühstück. Die Brötchen dufteten, aber irgendwie war ihm nicht danach. Sollte er jetzt noch eingreifen? Ich habe dich angelogen. Sax ist doch hier und hört uns gerade zu. Sie unterbrach seine Gedanken.
»Irgendwann«, fuhr sie fort, »ist es dann wirklich so. Sie können ohne Kristalle keine Magie mehr wirken. Sie brauchen sie wie unsere Anfänger ihren Zauberstab – entschuldige die ständigen Vergleiche. Jedenfalls, ihre Magie wird immer schwächer, weil sie nicht mehr wirklich benutzt wird. Der Magier verliert seine Magie völlig. Aber er ist längst süchtig nach dem Machtschub der Kristalle. Bloß kann er sie nun nicht mehr benutzen, und er wird langsam wahnsinnig.«
Nairod nickte. »Für einen Süchtigen muss das die Hölle sein.«
»Aber damit nicht genug. Der Entzug der Suchtbefriedigung nimmt Einfluss auf den Körper. Du ahnst es schon. Der Magier schrumpft zusammen, er verwandelt sich Stück für Stück in einen Erl. Das kann in einer Nacht geschehen oder Monate dauern oder sogar ein ganzes Jahr.«
»Wenn ich einmal süchtig werden sollte, dann
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