Magie der Schatten: Roman (German Edition)
also am besten nach Pfeifenkraut. Das hat nicht solche Folgen.«
Lenias Blick wurde immer besorgter. »Es gibt noch mehr Folgen. Erinnerst du dich an diese Pralinenmacherin?«
»Gelera heißt sie. Ich habe sie ja getroffen. Sie sieht wirklich traurig aus, und ihre Schokolade: na ja.«
»Genau, sie ist traurig, so traurig, dass ihre Pralinen so bitter geworden sind wie sie. Aber das kommt einem Erl wie Sax genau recht. Denn Erle entwickeln einen Ersatz für die Sucht nach Kristallen: die Sucht nach menschlichem Leid. Ihre Magie haben sie schon verloren, und jetzt müssen sie um ihre Existenz kämpfen. Wenn sie sich nicht an Leid laben können, dann zerfallen ihre Körper irgendwann.«
»Weiter«, sagte Nairod kühl und rückte etwas von Lenia ab.
»Ja. Die Erle verlieren zwar ihre als Menschen angeborene Magie, aber sie bekommen eine neue magische Fähigkeit. Sie können Menschen, die sich in tiefer Trauer befinden, an sich binden. Das verhindert, dass sich der Zustand der Menschen bessert, solange nicht eine geliebte Person an sie herantritt. Das kann den Erlbann brechen. Aber natürlich sind Erle schlau und suchen sich einsame Menschen, die ganz sicher nicht von jemandem, den sie lieben, aufgesucht werden können. Dann hält der Erlbann bis zum Tod des Menschen, und der Erl ernährt sich bis dahin im Verborgenen von der Lebensenergie. Ende der Geschichte.« Lenia schloss das Buch und sah zu Nairod.
In seiner Brust verhärtete sich etwas. »Hm.« Er griff mit einer mechanischen Bewegung nach einem Brötchen. »Wieso erzählst du mir das?«
Sie schlug die Augen nieder und hielt sich an ihrem Uniformrock fest. »Weil ich … Nairod, ich habe dich angelogen. Als ich gesagt habe, da im Zauberbedarfsladen, dass ich nur verstehen will. Das hat nicht gestimmt, ganz und gar nicht. Ich habe es gesagt, weil ich dich nicht verscheuchen wollte. Aber was ich eigentlich sagen wollte … Ich will nicht, dass du weitergehst. Ich glaube auch nicht, dass die Gesellschaft dieses Erls uns guttut.«
»So?« Nairod lachte gekünstelt. »Denkst du, ich bin dumm genug, nicht zu merken, wenn er anfangen sollte, mich auszusaugen? Außerdem scheint es dir entgangen zu sein, dass wir dabei sind, meinen Traum zu verwirklichen. Das macht mich gewiss nicht traurig. Im Übrigen will mir Sax dabei helfen.«
»Helfen? Wie denn? Du hast das Buch doch schon.«
Nairod legte das Brötchen zurück und stand auf. Er ging durchs Zimmer und schuf Abstand zu Lenia. »Er hat uns schon durch das Labyrinth geholfen, wenn du das vergessen haben solltest. Ja, das Buch habe ich jetzt, aber die Formel braucht ein besonderes … Reagenz, zu dem Sax mich führen kann. Ich frage mich, ob ich dir überhaupt davon erzählen soll, wenn du doch an allem zweifelst.«
»Ich zweifele überhaupt nicht, Nairod!« Sie stand auf, die Fäuste geballt und vor die Brust gepresst. »Ich weiß genau, was ich will. Ganz genau. Bitte hör auf, diesem Märchen nachzujagen.«
»Märchen? Du hast nichts verstanden, überhaupt nichts.«
»Sieh doch, was du schon alles vollbracht hast mit deiner Magie. In der Bibliothek und hier im Irrgarten. Du bist ein ausgezeichneter Bannwirker. Das hier sind zwar nicht gerade Taten, mit denen du prahlen solltest, aber sie sollten dir doch zumindest selbst Sicherheit geben. Im ganzen Reich wird man dich haben wollen. Als Wächter, als Jäger abtrünniger Magier, als was immer du willst.«
»Das kümmert mich nicht!« Er schrie sie an – und erschrak vor sich selbst.
»Sax kann nichts Gutes im Schilde führen. Ich bitte dich! Lass uns zurückgehen nach Felsmund, nach Wolkenfels.«
Er drehte sich um. »Sprich nicht immer von uns . Wenn du zurück willst, dann steht dir das frei. Ich werde die Formel vervollständigen.«
»Nairod. Ich bleibe bei dir.«
»Geh jetzt.« Der heiße Dampf aus dem Badezuber begann sich langsam zu legen. »Ich will baden, bevor das Wasser eiskalt ist.«
Nairod wandte sich ab. Es herrschte eine Weile Stille. Dann entfernten sich Schritte, die Tür öffnete und schloss sich wieder.
Nairod wartete darauf, dass irgendetwas geschah, in ihm oder um ihn herum, aber es tat sich nichts.
Er knöpfte sich Hemd und Hose auf, stieg aus den Schuhen, mit denen er auch im Bett gelegen hatte, und warf seine schmutzigen Socken fort. Das Wasser empfing ihn mit wohliger Wärme, die sich ihm erst um die Knöchel legte und dann um den Rest des Körpers, als er sich hineinsinken ließ.
»Kommt sie zurück?«, fragte eine
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