Magie der Sehnsucht - Roman
erwartet.
Die beiden Frauen betraten die Küche, und Julian schaute von der Melone auf – in zwei weit aufgerissene braune Augen.
»Ach, du meine Güte!«, japste Selena.
Teils erbost, teils belustigt, verschränkte Grace ihre Arme. »Julian, darf ich dich mit Selena bekannt machen?«
»Ach, du meine Güte!«, wiederholte ihre Freundin.
»Selena? Hallo!« Grace schwenkte ihre Hand vor den Augen ihrer Freundin, die nicht einmal blinzelte.
»Ach, du meine …«
»Würdest du endlich mit dem Unsinn aufhören?«, tadelte Grace.
Achtlos ließ Selena die Kleidungsstücke fallen, die sie unter ihrem Arm getragen hatte, und trat näher zu Julian, um seinen Körper zu inspizieren. Ihr Blick wanderte langsam vom Scheitel bis zu den nackten Sohlen hinab.
Nur mühsam verbarg er seinen Zorn über ihr Verhalten. »Wollen Sie auch noch meine Zähne untersuchen? Oder soll ich die Hose ausziehen, damit Sie alles sehen können?«, stieß er in schärferem Ton hervor, als er es beabsichtigt hatte. Immerhin stand sie auf seiner Seite. Wenn sie bloß den Mund schließen und aufhören würde, ihn so ungeniert anzustarren! Schon immer war es ihm unangenehm gewesen, übertriebene Neugier zu erregen.
Zögernd berührte sie seinen Arm.
»Huh!«, fuhr er sie an. Erschrocken sprang sie zurück, und Grace lachte.
»Schon gut, ihr zwei!«, murmelte Selena gekränkt. »Macht euch nur lustig über mich.«
»Das hast du verdient.« Grace steckte ein Melonenstück in den Mund, das Julian soeben abgeschnitten hatte. »Übrigens, heute musst du ihn zu dir nehmen.«
»Was?«, fragten Julian und Selena einstimmig.
»Nun …« Grace schluckte das Melonenstückchen hinunter. »Er kann mich wohl kaum in meine Praxis begleiten.«
»Oh, ich wette, Lisa und deine Patientinnen wären hellauf begeistert«, erwiderte Selena und lächelte boshaft.
»Und der Kerl, der um acht zu mir kommt, sicher auch. Nein, das wäre nicht besonders produktiv.«
»Kannst du deine Termine nicht abblasen?«, schlug Selena vor.
Das hielt Julian für eine ausgezeichnete Idee. Er wollte sich nicht in der Öffentlichkeit zeigen, und sein Fluch war nur deshalb halbwegs erträglich, weil ihn die Herrinnen in Privaträumen oder Gärten versteckten.
»Das weißt du besser, Lanie«, erwiderte Grace. »Im Gegensatz zu dir habe ich keinen gut situierten Anwalt geheiratet, der mich ernährt. Außerdem will Julian sicher nicht den ganzen Tag allein im Haus herumhängen. Viel lieber würde er sich die Stadt anschauen.«
»Eigentlich möchte ich hierbleiben«, wandte er ein, »mit dir.« Am besten würde es ihm gefallen, wenn sich ihr nackter, heißer Körper voller Begierde unter seinem winden würde – wenn er ihr lustvolles Geschrei hören würde. Als sich ihre Blicke trafen, las er unverhohlene Sehnsucht in den Tiefen ihrer grauen Augen. Und da durchschaute er sie. Nur weil sie nicht mit ihm allein sein wollte, ging sie zur Arbeit.
Früher oder später würde sie zurückkommen – und ihm gehören. Und sobald sie kapitulierte, würde er ihr zeigen, zu welch fabelhaften körperlichen Leistungen ein makedonischer, in Sparta ausgebildeter Soldat fähig war. Vor allem würde er ihr seine Ausdauer beweisen.
5
ENDLOS LANGSAM SCHLEPPTE sich der Vormittag dahin, während Grace mit ihren Patienten sprach und versuchte, ihre Gedanken auf die Probleme der Leute zu konzentrieren. Das gelang ihr nicht. Immer wieder erschienen leuchtend blaue Augen und ein verlockender goldbrauner Körper in ihrer Fantasie.
Und Julians Lächeln …
Hätte er sie bloß nicht angelächelt. Damit könnte er sie rumkriegen.
»… und dann sagte ich, hör mal, Dave, wenn du dir meine Kleider ausleihen willst – okay. Aber rühr meine teuren Designer-Klamotten nicht an! Wenn du darin besser aussiehst als ich, schenk ich sie der Heilsarmee. War das richtig, Doc?«
Grace blickte von ihrem Notizblock auf. In den letzten Minuten hatte sie mehrere Strichmännchen darauf gekritzelt, mit Speeren in den Händen.
»Was, Rachel?«, fragte sie die Patientin, die ihr in einem Lehnstuhl gegenübersaß.
Rachel war eine elegant gekleidete Fotografin. »War es richtig, dass ich Dave verboten habe, meine Designer-Fummel anzuziehen? Ich meine, verdammt noch mal – es ist doch ärgerlich, wenn mein Freund darin besser aussieht als ich, nicht wahr?«
»Ja, natürlich. Es sind Ihre Sachen, und Sie dürften nicht gezwungen werden, das alles wegzusperren.«
»Genau das habe ich ihm gesagt. Aber hört er auf
mich?
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