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Magie der Sehnsucht - Roman

Magie der Sehnsucht - Roman

Titel: Magie der Sehnsucht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherrilyn Kenyon
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fest, und der Kummer in seinen blauen Augen, den er erfolglos zu verhehlen suchte, ließ ihr Herz sich zusammenkrampfen.
    »Glaub mir, Grace – sobald die Frauen erkannten, wozu ich fähig bin, konnten sie gar nicht genug von mir bekommen. Einmal verriegelte eine Herrin die Tür ihrer Schlafkammer und erklärte den Leuten, die bei ihr anklopften, sie sei an der Pest erkrankt.«
    Unfassbar, was er da erzählte … Aber sie merkte ihm an, dass er nicht übertrieb. Wie erniedrigt musste er sich in all den Jahrhunderten gefühlt haben … »Also riefen diese Frauen dich zu sich – aber keine wollte mit dir reden oder dich anständig kleiden?«
    »Davon träumt doch jeder Mann, nicht wahr? Zahllose Frauen stürzen sich auf ihn, verlangen keine Liebeschwüre
oder Versprechungen, wollen nur seinen Körper und das Vergnügen, das er ihnen schenkt – einen ganzen Monat lang …« Trotz seiner ironischen Worte hörte sie den bitteren Unterton, der in seiner Stimme mitschwang.
    Gewiss, viele Männer mochten solche Wünsche hegen. Für ihn galt das nicht. »Nun …« Grace wandte sich wieder zu den Jeans. »So achtlos wie diese Frauen bin ich nicht. Wenn du dich mit mir in der Öffentlichkeit zeigst, musst du ordentlich gekleidet sein.«
    Erbost zog er die Brauen zusammen. »Ich wurde nicht verflucht, um mich in der Öffentlichkeit zu zeigen, Grace. Nur für dich bin ich da. Für dich allein.«
    Wie nett das klang … Trotzdem fiel sie nicht darauf herein. Niemals würde sie ein menschliches Wesen so benutzen, wie Julian das geschildert hatte. Würde sie ihm so etwas antun, könnte sie nie wieder in den Spiegel schauen. »Trotzdem werde ich mit dir in der Öffentlichkeit erscheinen«, entschied sie. »Und dafür brauchst du was zum Anziehen. Mal sehen, welche Hose dir passt.« Sie hielt ihm Jeans in verschiedenen Größen hin. Angewidert schreckte er davor zurück, und sie musste ihn gewaltsam in eine Umkleidekabine schieben. Energisch warf sie die Tür zu.
    In dem winzigen Raum eingeschlossen, wurde er von kaltem Grauen erfasst. Fast eine Minute lang konnte er nicht atmen und bekämpfte den Impuls, die Flucht zu ergreifen. Ohne an die Wände, die Tür oder den Spiegel zu stoßen, vermochte er sich nicht zu bewegen.
    Noch schlimmer als die Klaustrophobie war das Gesicht im Spiegel. Jahrhundertelang hatte er sein eigenes Bild nicht gesehen. Und das Gesicht, das ihn jetzt anstarrte, glich seinem Vater so beängstigend, dass er die Scheibe zertrümmern wollte. Ja – die gleichen hohen Wangenknochen,
die gleichen verächtlichen Augen … Nur eines fehlte – die tiefe gezackte Narbe an der linken Wange des Vaters.
    Und zum ersten Mal in all den Jahrhunderten sah er die drei dünnen Feldherrnzöpfe, die auf seine Schulter hingen. Mit zitternden Fingern griff er danach. Das hatte er schon lange nicht mehr getan. Und er entsann sich, wie er diese Zöpfe verdient hatte.
    In der Schlacht bei Theben war sein Kommandant gefallen. In panischer Angst hatten die makedonischen Truppen den Rückzug angetreten. Julian ergriff das Schwert des toten Feldherrn, rief die Soldaten zusammen und führte sie in den siegreichen Kampf gegen die Römer. Am Tag nach der Schlacht hatte die makedonische Königin sein Haar geflochten und ihre Perlen an den Enden der Zöpfe befestigt.
    Nun umschloss er eine gläserne Perle mit seiner zitternden Faust. Diese Zöpfe hatte der einst so stolze makedonische Kommandant getragen und ein starkes Heer befehligt, vor dem die Römer in feiger Angst geflohen waren.
    Welch ein schmerzlicher Anblick … Und dann betrachtete er den Ring an seiner rechten Hand. Der schmückte seinen Finger schon so lange, dass er ihn kaum noch wahrnahm, und er hatte seine Bedeutung vergessen.
    Doch die Zöpfe …
    Seit Jahrhunderten hatte er nicht daran gedacht. Während er jetzt darüber strich, erinnerte er sich an den Mann, der er gewesen war, an die Gesichter seiner Familie, an die Menschen, die ihm gedient, die ihn respektiert und gefürchtet hatten. In jener Zeit hatte er sein Schicksal selbst bestimmt – und die Macht besessen, die ganze bekannte Welt zu erobern.
    Aber jetzt …

    Seine Kehle verengte sich. Entschlossen entfernte er den Perlenschmuck von den Enden seiner Zöpfe und begann sie zu entwirren. Sein Blick streifte die Hosen, die zu Boden gefallen waren. Warum benahm sich Grace so seltsam? Wieso behandelte sie ihn wie einen Menschen?
    Da er sich längst daran gewöhnt hatte, wie ein Gegenstand benutzt zu werden, fand er

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