Magie der Sehnsucht - Roman
weiß, du gibst mir die Schuld an allem, was mit Penelope geschehen ist. Aber dafür bin ich nicht verantwortlich. Wie sollte ich denn ahnen, was Priapos tun würde, als er es herausfand?«
Sekundenlang schloss Julian die Augen, dann hob er die Lider, und sein Blick zeigte einen so tiefen Schmerz, dass Graces Atem stockte. Wer Penelope sein mochte, wusste sie nicht. Offensichtlich hatte sie Julian viel bedeutet.
»Wirklich nicht?«, fragte er heiser.
»Das schwöre ich dir, kleiner Bruder«, sagte Eros leise. »Niemals wollte ich sie in Gefahr bringen – oder dich verraten.«
»Und das soll ich dir abkaufen?«, höhnte Julian. »Dafür kenne ich dich viel zu gut, Cupido. Immer wieder bringst du das Leben der Sterblichen durcheinander – nur weil es dich so köstlich amüsiert.«
»Aber dir hat er nichts angetan, Julian«, warf Psyche in flehendem Ton ein. »Wenn du ihm nicht glaubst – glaub doch mir. Niemand hat Penelopes schrecklichen Tod geplant. Und deine Mutter leidet immer noch darunter.«
»Wie kannst du es ertragen, diese Frau auch nur zu erwähnen? « Angewidert verzog Julian die Lippen. »Vor lauter Eifersucht wollte Aphrodite dich mit einem grauenhaften Mann verheiraten. Dann versuchte sie dich zu töten, weil du Eros geheiratet hattest. Wenn man bedenkt, dass sie die Göttin der Liebe ist – eine Frau, die nur sich selber liebt …«
Wortlos senkte Psyche den Kopf.
»Sprich nicht so über sie!«, protestierte Eros. »Sie ist unsere Mutter. Und sie verdient deinen Respekt.«
In Julians Blick funkelte ein so wilder Zorn, dass Eros zurückwich. »Untersteh dich, sie zu verteidigen!«
Erst jetzt erregten Grace und Selena die Aufmerksamkeit des Liebesgotts. Verwundert hob er die Brauen. »Wer sind die beiden?«
»Freundinnen«, erklärte Julian zu Graces Überraschung.
Da nahm Eros’ Gesicht harte, frostige Züge an. »Unsinn, du hast keine Freunde.«
Julian schwieg, aber als sie seine kummervolle Miene sah, krampfte sich Graces Herz zusammen.
Wie schmerzlich Eros seinen Bruder gekränkt hatte, schien er nicht zu erkennen. »Warum du Priapos unbedingt sehen willst, hast du mir noch immer nicht erzählt«, sagte er und trat lässig an Psyches Seite.
»Weil er mich zur ewigen Sklaverei verdammt hat. Davon kann ich mich nicht befreien. Und ich möchte ihm endlich ein paar Teile abreißen, die nicht nachwachsen werden.«
Eros erblasste. »Oh Mann, da hat er sich wirklich was geleistet. Wäre Mom dahintergekommen … Sicher hätte sie ihn umgebracht.«
»Soll ich etwa glauben, sie hätte nichts gewusst? So dumm bin ich nicht, Eros. Was aus mir wurde, war ihr völlig egal.«
Sein Bruder schüttelte den Kopf. »Fang bloß nicht damit an! Als ich dir ihre Geschenke anbot, sagtest du, die soll ich mir in den Hintern schieben. Erinnerst du dich?«
»Warum wohl?«, fragte Julian sarkastisch. »Nur wenige Stunden nach meiner Geburt warf Zeus mich vom Olymp runter. Aphrodite unternahm nichts dagegen. Und danach kam eure ganze Bande nur in meine Nähe, um mir irgendwelche Schicksalsschläge aufzuhalsen.« Mit schmalen, glitzernden Augen starrte er Eros an. »Allzu oft kann man einen Hund nicht treten, bevor er bösartig wird.«
»Okay, wir hätten ein bisschen netter zu dir sein müssen, aber du …«
»Kein Aber, Cupido. Keiner von euch hat sich jemals um mich gekümmert. Und sie schon gar nicht.«
»Da irrst du dich. Du warst Moms Liebling. Seit du ihr den Rücken gekehrt hast, ist sie todunglücklich.«
»Also deshalb wurde ich zweitausend Jahre lang in einem Buch gefangen gehalten?«, spottete Julian.
Graces Herz flog ihm entgegen. Wieso hörte Eros sich das tatenlos an? Müsste er nicht alles tun, was in seiner Macht stand, um Julian zu retten – und ihn von einem Leid zu erlösen, das schlimmer war als der Tod?
Kein Wunder, dass Julian so wütend war.
Plötzlich riss er ein Messer aus Eros’ Gürtel und schlitzte sich das Handgelenk auf. In kaltem Entsetzen rang Grace nach Luft. Aber noch ehe sie wieder zu Atem kam, heilte die Wunde, und kein einziger Blutstropfen zeigte sich.
»Du meine Güte!« Eros schien seinen Augen nicht zu trauen. »Einer von Hephaistos’ Dolchen …«
»Das weiß ich.« Julian gab ihm die Waffe zurück. »Selbst du kannst damit erstochen werden. Aber ich nicht, nachdem Priapos mich zum ewigen Leben verdammt hat.«
Offenbar erkannte Eros erst jetzt das ganze Ausmaß der Strafe, die sein Bruder erduldete. Von kaltem Entsetzen erfasst, schwankte er. »Ich
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