Magie der Sehnsucht - Roman
hatte, war er so grausam gewesen, dass ihre Seele immer noch schmerzte. »Tut mir leid, Julian. Wirklich. Aber ich kann es nicht …«
Als sie das Einkaufszentrum verließen, beschleunigte sie ihre Schritte.
»Warum nicht?«, fragte er, sobald er sie zusammen mit Selena eingeholt hatte.
Wie sollte sie es erklären? In jener Nacht hatte Paul sie so unbarmherzig verletzt, ohne Rücksicht auf ihre Gefühle. Inständig bat sie ihn, den Liebesakt abzubrechen. Davon wollte er nichts wissen. »Beim ersten Mal tut’s immer weh«, entgegnete er. »Großer Gott, hör zu weinen auf! In ein paar Minuten bin ich fertig, dann kannst du gehen.«
Verletzt und zutiefst gedemütigt, hatte sie tagelang geweint.
»Grace?«, unterbrach Julians Stimme ihre bedrückenden Gedanken. »Was ist denn los mit dir?«
Mühsam schluckte sie ihre Tränen hinunter. Nein, sie würde nicht weinen. Nicht in der Öffentlichkeit. Sie brauchte kein Mitleid. »Nichts.« Voller Sehnsucht nach frischer Luft eilte sie zum Moonwalk, der Promenade, die einen Ausblick auf den Hafen bot. Julian und Selena blieben ihr auf den Fersen.
»Warum weinst du, Grace?«, fragte Julian.
»Pauls wegen«, hörte sie Selena flüstern.
Erbost starrte Grace ihre Freundin an und zwang sich zur Ruhe. Dann holte sie tief Atem und wandte sich zu Julian. »Ich wünschte, ich könnte einfach mit dir ins Bett springen. Aber das kann ich nicht. Auf diese Weise will ich nicht benutzt werden. Und ich möchte dich nicht missbrauchen. Verstehst du das?«
Schweigend wich er ihrem Blick aus und beobachtete
sechs Biker-Typen, die ihnen auf dem Moonwalk entgegenkamen. Ihre Lederkleidung musste sie in der stickigen Hitze fast umbringen. Doch das schien sie nicht zu stören. Lachend schwatzten sie und zogen einander auf.
Und dann entdeckte Grace die Frau, die vor den Jungs heranschlenderte – ganz langsam, mit verführerischem Hüftschwung, das weibliche Pendant zu Julians geschmeidigem, lässigem Gang. Hochgewachsen und blond, sah sie wie ein Model oder ein Filmstar aus. Zum knappen Neckholder-Top aus Leder trug sie enge Shorts. Voller Neid musterte Grace die atemberaubende Figur des Mädchens.
Plötzlich blieb die Blondine stehen, während ihre Begleiter weiterwanderten, schob ihre Sonnenbrille zur Nasenspitze hinab und starrte Julian an.
Graces Atem stockte. Oh Gott, was würde jetzt geschehen? Diese hartgesottenen Rocker-Typen erweckten nicht den Einruck, als würden sie es dulden, dass ihre Freundin andere Männer anschaute. Und eine Keilerei auf dem Moonwalk – das war wirklich das Letzte, was Grace gebrauchen konnte. Hastig packte sie Julians Hand und zog ihn in die andere Richtung. Doch er weigerte sich, ihr zu folgen.
»Komm, Julian!«, drängte sie. »Gehen wir wieder ins Brewery.«
Er rührte sich nicht vom Fleck. Kalte Mordlust in den Augen, beobachtete er die Rocker. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, riss er sich von ihr los, stürmte davon und packte einen der Männer am Kragen.
Hilflos und entsetzt musste sie mit ansehen, wie Julian dem verblüfften Rocker einen gezielten Kinnhaken versetzte.
6
»DU GOTTVERDAMMTER SCHURKE, du Dreckskerl, du mieses Stück Scheiße …« Julians Schimpfwörter hätten sogar einem Seemann dunkle Röte ins Gesicht getrieben.
Entgeistert riss Grace die Augen auf und wusste nicht, was sie am meisten verblüffte – seine Ausdrucksweise oder seine Attacke auf den fremden, bullig gebauten Rocker, der sich verbissen wehrte. Aber er war Julians übermenschlichen Kräften nicht gewachsen.
Sie vergaß Selena und rannte zu den beiden hinüber, obwohl sie keine Ahnung hatte, was sie tun sollte. Natürlich konnte sie nicht zwischen die zwei Männer treten, die einander mit Feuereifer zu ermorden suchten.
»Hör auf, Julian, bevor du ihn ernsthaft verletzt!«, kreischte die Rockerbraut.
Grace erstarrte. Wieso wusste die Frau, wie er hieß?
Hektisch tänzelte die Blondine um die Kampfhähne herum, als wollte sie ihrem Freund helfen, seinen Widersacher abzuwehren. »Pass auf, Schätzchen, er wird … Autsch, das hat sicher wehgetan!«, jammerte sie mitfühlend, nachdem Julians Faust die Nase des Bikers getroffen hatte. »Lass das, Julian, sonst wirst du ihm noch die Nase brechen … Oh, mein armes Baby!«
Da sich der Rocker nicht duckte, musste er einen weiteren Kinnhaken einstecken und stolperte nach hinten.
Völlig konsterniert, schaute Grace zwischen Julian und der Frau hin und her. Wieso kannten sie sich?
»Oh Eros, Baby! Nein!«,
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