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Magie und Schicksal - 2

Magie und Schicksal - 2

Titel: Magie und Schicksal - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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zu denken. Helenes Reitkünste und Tante Virginias körperliche Konstitution zwingen uns zur Langsamkeit, aber ich nehme es ihnen nicht übel. Ich bin froh, meinem Schicksal entgegenreiten zu können, statt einfach nur dazusitzen und darauf zu warten, dass Alice ihre Meinung ändert.
    Am dritten Tag haben wir erst die Hälfte der Wegstrecke nach Avebury zurückgelegt. Tante Virginia ist erschöpft und wir schlagen bereits am Nachmittag unser Lager auf. Ich halte es für sinnvoller, wenn wir uns diese zusätzliche Ruhepause gönnen und morgen in aller Frische weiterreiten können. Dabei versuche ich die Tatsache zu verdrängen, dass wir bis Beltane nur noch vier Tage Zeit haben. Doch immer wieder schleicht sich diese Sorge in meine Gedanken. Eine Stimme in meinem Kopf rät mir, nach Alternativen zu suchen, falls wir es nicht rechtzeitig schaffen sollten.
    Nein . Ich verbanne diese Gedanken aus meinem Geist. Wir werden es schaffen. Wir müssen es schaffen.
    Nachdem die Zelte aufgestellt und die Pferde versorgt sind, zieht sich Helene zurück, während Sonia, Luisa und Brigid sich unter einen blühenden Baum setzen und jede für sich ein Blatt Papier durchliest. Sie lernen die Worte der Beschwörung auswendig, die ich ihnen vor unserer Abreise aus London gegeben habe. Es wird nicht einfach sein, die lateinischen Worte zu rezitieren, aber es scheint
mir sicherer zu sein, als zu versuchen, eine akkurate englische Übersetzung anfertigen zu lassen.
    Ich muss mir die Worte nicht mehr einprägen. Die Beschwörung ist mir mittlerweile so vertraut wie mein eigener Name. Stattdessen nutze ich die Gelegenheit, um Dimitri zu bitten, dass er Wache hält, während ich in dem nahe gelegenen Bach ein Bad nehme.
    Nachdem wir Gareth von unserem Vorhaben in Kenntnis gesetzt haben, verlassen Dimitri und ich das Lager und gehen zum Bach. Im Wald ist es still. Nur das Rascheln und Scharren von kleinen Tieren und das Flattern der Vögel von Baum zu Baum ist zu hören. Dimitri und ich legen den Weg unter den tief hängenden Zweigen und Ästen schweigend zurück. Ich gebe mich dem angenehmen Gefühl der Sicherheit und Behaglichkeit hin, das ich stets in seiner Gegenwart verspüre. Zum ersten Mal seit Tagen empfinde ich eine Art inneren Frieden.
    Kurz darauf treten wir aus dem Schatten der Bäume und erreichen das steile Ufer des Gewässers. Es ist ein breiter Bach, der langsam in seinem Bett fließt. Die Strömung lässt zwar mein Herz schneller schlagen, aber ich schiebe meine Angst beiseite und wende mich zu Dimitri.
    »Danke«, sage ich und schaue ihm tief in die dunklen Augen.
    »Gern geschehen.« Er grinst mich vielsagend an und rührt sich nicht vom Fleck.
    »Werter Herr«, sage ich mit erhobenen Augenbrauen zu
ihm, »Haben Sie bitte die Güte, dort drüben zu warten.« Mit dem Kopf nicke ich in Richtung der Bäume.
    »Und was ist, wenn ich verspreche, nicht zu gucken?«
    Ich seufze und unterdrücke ein Lächeln. »Netter Versuch, Dimitri Markov, aber ich fürchte, ich muss dein Angebot ablehnen. Es ist skandalös genug, wenn du in meinem Schlafzimmer verweilst, während wir beide angekleidet sind, aber Tante Virginia würde einen Herzschlag bekommen bei der Vorstellung, dass du in meiner Nähe bist, wenn ich splitterfasernackt bin.«
    Er beugt sich zu mir, bis sein Gesicht meinem ganz nah ist. »Wenn Tante Virginia nicht wäre, dürfte ich also bleiben?«
    Ich schubse ihn sanft weg. »Tja, das wirst du nun niemals erfahren, nicht wahr?«
    »Oh doch, Lia, ich weiß es bereits.« Er blickt mich lange an, die Augen vor Verlangen glühend, ehe er sich umwendet und den Weg zurückgeht, den wir gekommen sind. »Ich bleibe in der Nähe.«
    Seine Worte hallen in meinem Kopf wider und bringen mein Blut zum Kochen. Ich werde rot, obwohl niemand da ist, der es sehen könnte. Ich warte, bis er ganz aus meinem Blickfeld verschwunden ist, dann entledige ich mich meiner Hosen und meines Hemdes und lege sie auf einen großen Felsen in der Nähe des Bachs. Ich weiß nicht genau, wo er Posten bezogen hat, aber ich bin mir sicher, dass er mich hören wird, falls ich nach ihm rufe. Ich muss daran denken, wie viel sich in meinem Leben verändert hat, wie
sehr ich selbst mich geändert habe. Heute bin ich nur noch um mein nacktes Leben besorgt, wenn ich in einem Bach bade, und kümmere mich keinen Deut darum, dass mich irgendjemand dabei beobachten und mein Verhalten unschicklich finden könnte. Das ist zwar unwahrscheinlich, aber trotzdem komme ich mir

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