Magie und Schicksal - 2
vermieden, anhand unserer Kleider als wohlhabende Leute erkannt zu werden.
Und wenn Dimitri nicht so unvorsichtig war, zu verraten, woher wir kommen, hat Brigid keinen Grund zu vermuten, dass wir aus London sind. Was bedeutet, dass sie entweder zufällig richtig geraten hat, oder aber sie weiß mehr über uns, als sie sollte.
16
W ährend des Abendessens herrscht eine ungemütliche Stimmung. Ob aus Misstrauen oder weil wir mit unseren Gastgebern noch nicht vertraut sind, jedenfalls speisen wir schweigend. Lediglich Gareth unternimmt den einen oder anderen Versuch, ein Gespräch in Gang zu bringen. Brigid hat sich umgezogen – wiederum ein viel zu langes Kleid, dessen Ärmel des Öfteren nur knapp einem Bad in den diversen Schüsseln und Tellern entgehen, die sie aufträgt. Ich bemitleide sie ob ihrer Einsamkeit; sie könnte die Gesellschaft und den Rat einer modebewussten Frau wahrhaftig gut gebrauchen.
Trotz der Stille greifen wir herzhaft zu. Brigid hat – mithilfe einer alten Frau aus dem Dorf – eine wundervolle Mahlzeit zubereitet. Das Essen ist einfach, aber es gibt reichlich, und ich esse so viel, dass ich mich eigentlich schämen müsste. Nach dem Dessert trinken wir noch ein Glas Dunkelbier, als Mr O’Leary endlich den Grund für unser Kommen anspricht.
»Ich vermute, Sie brauchen einen Führer.« Ich bin überzeugt davon, dass Hoffnung in seiner Stimme liegt.
Ich hatte noch keine Gelegenheit, Dimitri über mein Gespräch mit Brigid zu informieren, und so ergreife ich das Wort, ehe er antworten kann. »Um die Wahrheit zu sagen, würden wir es vorziehen, allein zu arbeiten. Aber trotzdem vielen Dank für Ihr Angebot.«
Dimitri wirft mir einen kurzen Blick zu, aber ich lasse mich nicht beirren.
Mr O’Leary nickt langsam. »Dann haben Sie vermutlich eine Karte von der Anlage.«
»Die haben wir, in der Tat«, sagt Dimitri. »Aber wir werden Sie sicherlich das eine oder andere Mal um Rat fragen müssen.«
Brigid, die rechts von ihrem Vater sitzt, sagt: »Vater weiß sehr viel über die Gräber. Wenn Sie irgendetwas Bestimmtes suchen, kann er Ihnen bestimmt helfen.«
Mr O’Learys Lachen ist wie ein kalter Wind in dem von Kerzen erleuchteten Esszimmer. »Tochter, du hast wohl vergessen, dass Mr Markov und seine Begleiter nur an der historischen Bedeutung der Anlage interessiert sind. Und das einzuschätzen, ist nicht schwer für einen Mann der Wissenschaft.« Der Sarkasmus in seiner Stimme ist nicht zu überhören, und er wendet sich direkt an Dimitri. »Das stimmt doch, Mr Markov, oder nicht?«
Dimitri hält seinem Blick stand. »Sie haben völlig recht.«
In dem Moment der Stille, der nun folgt, starren die
beiden Männer einander nur an. Ich frage mich schon, ob es zu einer Handgreiflichkeit kommen wird, so feindselig stehen sie einander gegenüber. Aber gleich darauf schiebt Mr O’Leary seinen Stuhl vom Tisch zurück.
»Der Tag war lang und anstrengend, für Sie mehr als für uns. Ich hoffe, Sie haben es bequem. Brigid serviert um sieben Uhr das Frühstück.«
Er verlässt den Raum und Brigid erhebt sich mit einem unbehaglichen Lächeln. »Mein Vater ist Gesellschaft nicht gewöhnt. Wir haben nur selten Gäste, und er vergisst manchmal, wie er sich in Gegenwart anderer Menschen benehmen muss. Bitte vergeben Sie ihm.«
Dimitri lehnt sich zurück. Jetzt, da Mr O’Leary nicht mehr da ist, entspannt er sich sichtlich. »Machen Sie sich keine Sorgen.«
Brigid nickt. »Kann ich noch irgendetwas für Sie tun? Ansonsten würde ich mich jetzt zurückziehen.«
»Ich kann nur für mich selbst sprechen«, sagt Gareth. »Aber mehr als die Matratze, die mich oben erwartet, kann ich mir für heute Nacht nicht wünschen.«
»Es ist alles in bester Ordnung, vielen Dank.« Ich bemühe mich um ein Lächeln, will das unbehagliche Gefühl mit dem Argument beiseite wischen, dass wir alle müde und nervös sind.
»Dann wünsche ich Ihnen Gute Nacht.«
Wir bleiben noch eine volle Minute, nachdem sie den Raum verlassen hat, in Schweigen versunken am Tisch sitzen.
Dann beugt sich Gareth vor und flüstert vernehmlich. »Was sollte das denn?«
Dimitri schüttelt den Kopf. »Nicht hier.« Er steht auf und bedeutet uns, ihm zu folgen. »Wir müssen uns in einem unserer Zimmer unterhalten, aber leise!«
Wir gehen die Treppe hinauf, an den Zimmern vorbei, in denen er und Gareth untergebracht sind. Vor der Tür zu meiner Kammer bleibt er stehen und öffnet sie. Fragend hebt er die Augenbrauen, und ich nicke
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