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Magie und Schicksal - 2

Magie und Schicksal - 2

Titel: Magie und Schicksal - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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Vielleicht liegt es an meiner Müdigkeit, aber irgendwie scheint mir, als ob alles, was die O’Learys sagen, einen doppelten Boden hat, sogar jeder Blick, den sie einander zuwerfen, wenn sie glauben, dass wir nicht hinschauen. Ich tadele mich im Stillen, dass ich wohl langsam hysterisch werde, aber trotzdem bin ich erleichtert, als Mr O’Leary in die Hände klatscht und sagt: »Also schön. Ich werde mich um Ihre Pferde kümmern, während Brigid Ihnen die Zimmer zeigt. Sie sind doch zu Pferd hergekommen, nicht wahr?«
    Gareth nickt. »Die Pferde sind draußen am Zaun angebunden. Ich komme mit und helfe Ihnen.«
    »Nichts da. Erfrischen Sie sich erst mal und ruhen Sie sich aus. Es ist alles in guten Händen.«
    Er wendet sich zum Gehen, aber Dimitri hat noch ein Anliegen.
    »Mr O’Leary?«
    »Ja?«
    »Soweit ich weiß, haben Sie fünf Zimmer zu vermieten.« Dimitri greift in seine Tasche.
    Mr O’Leary nickt. »Ja, aber Sie sind ja nur zu dritt, nicht wahr? Bis morgen, wenn er da wieder abreist.« Er deutet
auf Gareth. »Aber wir können gerne noch zusätzliche Zimmer vorbereiten, wenn Sie das möchten.«
    Dimitri streckt dem Verwalter die Hand hin. »Ich brauche keine weiteren Zimmer, Mr O’Leary, aber meine Arbeit ist von großer Bedeutung und muss im Stillen geschehen. Ich möchte, dass wir für die Dauer unserer Anwesenheit hier Ihre einzigen Gäste bleiben. Ich werde natürlich für die leeren Zimmer bezahlen.«
    Mr O’Leary zögert und betrachtet Dimitris Hand mit einer Art Abscheu, obwohl er doch gewiss nicht viele Gäste zu dieser frühen Jahreszeit erwarten kann. Ich frage mich, ob wir ihn beleidigt haben, aber einen Moment später nimmt er Dimitri das Geld aus der Hand. Wortlos dreht er sich um und geht nach draußen.
    Dimitri und ich wechseln im trüben Licht des Salons einen Blick. Ich weiß, dass wir beide das Gleiche denken: Niemand ist über den Verdacht erhaben, für die Seelen zu arbeiten. Nicht einmal Mr O’Leary und seine Tochter.
     
    »Kann ich Ihnen noch irgendetwas bringen?« Brigid hat eine große Kupferwanne in die Mitte meines Zimmers gestellt und mit warmem Wasser gefüllt. Der Dampf steigt in kleinen Schwaden nach oben und verschwindet wie Äther in dem Dämmerlicht des Raums.
    »Nein, vielen Dank. Das Bad ist gewiss ganz herrlich!«
    Brigid nickt. »Das Abendessen wird um sechs Uhr serviert, wenn Ihnen das recht ist.«
    Mir fällt auf, dass ihre Ärmel – die wie das ganze Kleid
zu lang für Brigid sind – an den Aufschlägen nass geworden sind, und ich werde von einem schlechten Gewissen geplagt, weil ich die O’Learys mit so viel Misstrauen betrachtet habe, während sich Brigid doch so rührend um mich kümmert.
    Ich lächle sie an. »Das passt hervorragend. Vielen Dank für alles.«
    Eine Weile stehen wir da, während sich das Schweigen zwischen uns ungemütlich ausdehnt. Ich habe den Eindruck, dass Brigid noch etwas sagen will, denn sie zupft nervös an einer Haarsträhne.
    »Sie kommen also aus London?«
    »Das stimmt.« Mehr sage ich nicht. Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß.
    Sie schlägt die Augen nieder und kaut auf ihrer Unterlippe, als ob sie sich ihre nächsten Worte gut überlegen müsste. »Und bleiben Sie lange?«
    Das ist bloß Neugier, rede ich mir ein. Sie ist mutterseelenallein mitten im Nirgendwo, und niemand außer ihrem alten Vater leistet ihr Gesellschaft.
    Trotzdem kühle ich meine Stimme merklich ab, in der Hoffnung, sie nicht noch zu weiteren Fragen zu ermutigen. »So lange wie nötig, um unsere Arbeit zu beenden.«
    Sie nickt noch einmal und wendet sich dann zum Gehen. »Genießen Sie Ihr Bad.«
    Ich stehe reglos da und versuche, mein ungutes Gefühl, das sich seit unserer Ankunft in Loughcrew in meinem Inneren eingenistet hat, im Keim zu ersticken. Aber irgendetwas
lässt mich nicht los, und ich grübele und grübele, was es wohl sein mag.
    Kurz darauf, als ich meinen Kopf gegen die Badewanne lehne und das Wasser auf meiner Haut kühl wird, fällt es mir ein.
    Dimitri und ich stammen nicht aus London. Und keiner von uns beiden war lange genug dort, um einen Londoner Akzent anzunehmen. Im Gegenteil: Mein Zungenschlag verrät mich immer noch als Amerikanerin, was mir so manches Mal einen scheelen Blick einbringt. Gareth ist ein Vagabund, der im Auftrag der Brüder und Schwestern von Altus schon halb Europa bereist hat. Er hat noch viel weniger einen ausgeprägten Akzent als ich. Wir alle sind in grobes Tuch gekleidet, haben in voller Absicht

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