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Magie und Schicksal - 2

Magie und Schicksal - 2

Titel: Magie und Schicksal - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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bedeutet ihm, uns mit der Fackel zu leuchten. Er beugt sich vor und hält den Lichtschein an die Wand.
    Ich kann nichts Außergewöhnliches erkennen. Nur einen kleinen, flachen Vorsprung in der Mitte des mächtigen Felsens, der sich ansonsten glatt und eben bis zur Höhlendecke erstreckt.
    »Warte mal …« Dimitri fasst mit seiner freien Hand nach der Wand und wischt den Staub weg, der sich in kleinen Wolken erhebt und durch das Fackellicht tanzt. Als er wieder spricht, klingt seine Stimme überrascht. »Da ist tatsächlich etwas …«
    Ich schaue noch einmal hin und frage mich, ob sein Verstand gelitten hat, denn ich sehe überhaupt nichts außer glattem Fels. Aber als Dimitri die Fackel in einem anderen Winkel hält, stockt mir der Atem.
    Mit dem Zipfel meines Hemdes wische ich die Felswand neben der kleinen Nische sauber. Und dann gibt es keinen Zweifel mehr: Maeve und Dimitri haben recht.
    Da ist tatsächlich etwas.
    »Halte mal die Fackel.« Dimitri reicht sie mir, und ich beleuchte damit die Felswand, während er sich vorbeugt und sie genau untersucht.
    Eine Weile sagt er nichts, und ich fürchte schon, dass wir uns zu viel versprochen haben. Vielleicht haben die
Zeichen überhaupt nichts mit dem verschollenen Stein zu tun.
    Aber als er sich umdreht und mich anschaut, weiß ich es besser.
    »Es ist die Prophezeiung. Sie steht hier geschrieben, in Stein gemeißelt. Auf Latein.«
    »Ich habe es Ihnen ja gesagt!« Maeve strahlt.
    »Ist das alles?«, frage ich und beuge mich vor, obwohl ich mit Latein herzlich wenig anfangen kann. »Steht da auch etwas über den Stein? Ist er hier?«
    »Nicht direkt.«
    »Nicht direkt? Was soll das heißen?«
    »Es ist die Prophezeiung, und zwar komplett, sowohl die Seite, die du in der Bibliothek deines Vaters gefunden hast, als auch diejenige, die in Chartres verborgen lag.« Er schweigt einen Moment und runzelt die Stirn. »Und dann steht da: Im ersten Licht von Nos Galon-Mai musst du jene befreien, die von den Gefallenen gebunden wurden, mit der Macht dieses Steins und ihren Worten .«
    Ich schüttele den Kopf. »Moment mal … mit ihren Worten ? Soll das bedeuten, dass es ein Ritual der gefallenen Engel ist? Und was für ein Ritual soll das sein?«
    Er runzelt die Stirn und kneift die Augen zusammen. »Vielleicht … warte mal … Da steht etwas über … einen Kreis, der von den gefallenen Engeln geschlossen wird und… etwas über die Macht der Schwestern, mit der das Tor des Wächters geschlossen und die Welt vor dem … Untier gerettet werden kann.« Mit leuchtenden Augen wendet
er sich zu mir. In seiner Stimme liegt die Erregung, die er nun nicht mehr verhehlen kann. »Es ist schwierig, die Worte hier und jetzt zu übersetzen. Die Wand ist schmutzig und der Text wurde vor sehr langer Zeit eingeritzt, aber es scheint sich tatsächlich um eine Art Beschwörung zu handeln.«
    »Eine Beschwörung?«, wiederhole ich. »Also einen Spruch, mit dem man das Tor in Avebury schließen kann?«
    Dimitri nickt langsam. Ich sehe, wie es in seinem Kopf arbeitet. »So hört es sich jedenfalls an. Es ist ein Zauber, ein Spruch, ein Ritual. Es ist das, wonach wir gesucht haben. Und es heißt, dass die Macht dieses Steins dazu nötig ist. Also war der Stein vermutlich hier, zusammen mit den Worten des Rituals.«
    »Aber jetzt ist er weg.« Ich schaue mich um und mein Blick fällt auf Maeve. »Maeve, haben Sie etwas weggenommen? Oder war früher etwas hier, was jetzt nicht mehr da ist?«
    Ihre Augen blitzen wütend auf. »Ich habe nichts weggenommen! Ich komme nur hierher, um zuzuschauen.« Sie dreht den Kopf weg und starrt trotzig auf die Felswand. Schließlich murmelt sie: »Die anderen nehmen Dinge weg. Ich schaue nur zu. Mehr nicht.«
    Ihre Worte erschüttern etwas in meinem Inneren. Ich strecke die Hand nach dem Vorsprung aus, unter den eingravierten Worten des Rituals. Die Einbuchtung im Fels ist glatt und rund. Ich schaue zu Dimitri, aber Worte sind nicht nötig.

    Ich wende mich wieder zu Maeve. »Es tut mir leid, Maeve. Ich verstehe Sie. Sie schauen nur zu. Die anderen nehmen Dinge weg. Die anderen haben etwas weggenommen, stimmt’s?«
    Sie hält meinen Blick eine Sekunde lang fest, aber mehr brauche ich nicht.
    Auf dem Absatz mache ich kehrt und sage, zu Dimitri gewandt: »Gehen wir.«
     
    Wir haben die Pferde in den Stall gebracht und wollen uns gerade auf den Weg ins Haus machen, als Dimitri mir die Hand auf den Arm legt.
    »Sie gehören nicht zu Samaels Wache, so viel steht

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