Magie und Schicksal - 2
versichere Ihnen, wir stehen auf Ihrer Seite.«
Dimitri wirbelt zu mir herum; Entsetzen spiegelt sich auf seinem Gesicht. »Lia! Was sagst du da?«
Ich gehe auf Brigid zu und versuche, das Gewehr, dessen Lauf mir folgt, nicht zu beachten. »Sie haben ihn genommen, richtig? Sie haben den Stein aus der Höhle genommen. «
Sie erwartet mein Näherkommen mit hoch erhobenem
Kopf. Ihr Vater allerdings verkrampft sich, als ich auf sie zutrete. »Bleiben Sie gefälligst von meiner Tochter weg. Wenn ich’s mir recht überlege, ist es wohl Zeit, dass Sie dieses Haus verlassen.«
»Es tut mir leid, Mr O’Leary, aber das kann ich nicht.« Ich muss schlucken, um den Kloß aus meinem Hals zu entfernen und überhaupt etwas sagen zu können.
Dimitri macht einen Schritt auf uns zu. »Lia, ich …«
Das Knacken des Gewehrhahns lässt ihn mitten in der Bewegung erstarren.
»Sie sind nicht allein, Brigid.« Ich greife nach meinem linken Handgelenk und schiebe den Ärmel hoch, sodass das Zeichen sichtbar wird.
Ihre Augen werden groß, und ich sehe, wie ihre Brust sich hebt und senkt, als sich ihre Atmung beschleunigt.
Ich greife nach ihrem Arm. »Darf ich?«
Sie nickt, während ihr Vater gleichzeitig brüllt: »Fassen Sie sie nicht an! Hände weg von meiner Tochter!«
Aber ich höre nicht auf ihn. Stattdessen höre ich Philips Stimme in meinem Kopf: Mir wurde gesagt, dass das Mädchen nicht mehr in besagtem Ort lebt. Augenscheinlich ist die Mutter bei der Geburt gestorben und der Vater hat sie wenige Jahre später fortgebracht.
Ich erwarte, jeden Moment den Schuss zu hören, aber dann ist es Brigids Stimme, die mit sanftem Klang die Spannung bricht.
»Sie ist es, Vater. Genauso, wie Thomas sagte.«
Nur am Rande registriere ich, dass sie den Namen
meines Vaters ausgesprochen hat. Ich nehme ihre Hand. Ich weiß jetzt, warum ihre Kleider, ihre Ärmel so lang sind, denn als ich ihren linken zurückschiebe, erblicke ich dort das Zeichen.
Sonias Zeichen. Luisas Zeichen. Helenes Zeichen.
Das Zeichen des vierten und letzten Schlüssels.
»Das dachte ich mir.« Brigids Haut ist warm und ich streiche mit dem Finger über das vertraute Symbol. Die Jormungand. Die Schlange, die ihren eigenen Schwanz frist. Der Kreis.
Ich halte meinen Arm neben ihren, mein Zeichen neben ihres. Unsere Augen treffen sich, dann schaut sie zu ihrem Vater, der hinter mir steht. Sie nickt kaum merklich.
Mr O’Leary seufzt und stellt das Gewehr weg. Es dauert einen Moment, bevor er etwas sagt. »Sieht so aus, als hätten wir tatsächlich eine Menge zu bereden. Und uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
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D ein Vater war noch viel schlauer, als ich anfangs dachte – und ich hielt ihn schon immer für ziemlich schlau.« Dimitri blickt mich über den Rand seiner Teetasse hinweg an.
Es ist noch keine Stunde her, seit Mr O’Leary das Gewehr gesenkt und uns gebeten hat, uns zu setzen. Inzwischen haben Dimitri und ich die O’Learys über die Einzelheiten der Prophezeiung in Kenntnis gesetzt, über die Anderswelten, die Seelen, die Schlüssel. Ich erwarte Unglauben von Brigid, erwarte, dass sie etwas so unerhört fantastisch Klingendes weit von sich weist.
Aber sie tut nichts dergleichen. Sie sitzt da, völlig gefangen von meinen Worten, aber mit einem Gesicht, als ob sie alles längst wüsste.
Ich schaue sie an. »Sie wurden in England geboren, wie die anderen, nicht wahr? Wie kamen Sie hierher nach Loughcrew? Ausgerechnet an jenen Ort, an dem die Worte der Beschwörung verborgen sind!«
Aber es ist nicht Brigid, die antwortet, sondern ihr Vater. »Meine Frau starb im Kindbett, müssen Sie wissen. Wir waren in England, in der Nähe von Newbury, bei ihrer Familie, die ihr bei der Geburt helfen sollte. Aber es hat nichts genutzt.«
Brigid tätschelt ihm die Hand. »Wir blieben dort, und ich wuchs bei der Familie meiner Mutter auf, aber als ich zehn Jahre alt war, kam ein Mann, der unser ganzes Leben veränderte.«
»Mein Vater.« Ich muss an die unzähligen Reisen denken, die er unternommen hat. Viele davon dienten dem Aufspüren der Schlüssel. Unwillkürlich überlege ich, was ich wohl tat, während er damit beschäftigt war, zukünftige Ereignisse in ihre Bahnen zu lenken und damit meine Aufgabe zu erleichtern.
Mr O’Leary nickt. »Sieht ganz so aus. Anfangs wollte ich die Stelle als Verwalter an diesem abgeschiedenen Ort nicht, aber Thomas versprach mir ein hübsches Haus, in dem ich für Brigid sorgen könne, und eine Rente für den Rest meines
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