Magie
bin, warum du denkst, deine Zukunft wäre in Elyne so viel anders gewesen. Deine Mutter erzählt mir seit Jahren, dass es hohe Zeit für dich sei zu heiraten, und dass die meisten Frauen deines
Alters bereits mehr als ein Kind zur Welt gebracht hätten.« Er richtete sich auf. »Du solltest dich ausruhen und über deine Zukunft nachdenken, und ich muss mir offenkundig meine Pläne für dich noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Und vergiss nicht, ich erwarte nach wie vor von dir, dass du dich, wenn unsere Besucher hier sind, benimmst wie eine richtige Sachakanerin.«
Sie nickte. Ein Teil von ihr wollte rebellieren, wollte Arvice vor dem Erscheinen dieser Gäste verlassen oder den Mann, den ihr Vater als ihren Verlobten ausgewählt hatte, davon überzeugen, dass sie ein verrücktes, zänkisches Weib sei, mit dem er niemals würde leben wollen. Trotzdem verspürte sie einen gewissen Anflug von Hoffnung. Vielleicht konnte sie ihren Vater irgendwie doch noch davon überzeugen, dass sie ihm bei seinen Geschäften von Nutzen wäre, vielleicht auf eine Art und Weise, wie sie für die sachakanische Gesellschaft annehmbar wäre. Dass sie mehr sein konnte als eine Gebärmutter mit Beinen. Sie musste es versuchen.
Er machte eine kleine Handbewegung. Wieder erklang der Gong. Eine Frau mit grauen Strähnen im Haar trat ein und warf sich mit vom Alter steif gewordenen Bewegungen der Länge nach auf den Boden.
»Das ist Vora. Du erinnerst dich vielleicht noch aus deiner Kindheit an sie. Sie erinnert sich ganz gewiss an dich. Sie wird dich in deine Gemächer bringen.«
Stara brachte ein Lächeln zustande und wandte sich ab, um die Frau erwartungsvoll anzusehen. Vora zog die Augenbrauen hoch, aber sie zuckte nur die Achseln und führte Stara wortlos aus dem Raum.
Zwanzig Pferde und ihre Reiter erklommen so leise, wie es ihnen möglich war, den steilen Pfad. Das Klirren der Geschirre, das Schnauben der Pferde und das gelegentlich unterdrückte Husten oder Niesen eines Reiters waren Tessia mittlerweile so vertraut, dass sie diese Geräusche kaum noch hörte. Stattdessen nahm sie den Mangel an Geräuschen in den Bäumen um sie herum wahr. Keine Vögel zirpten oder sangen, kein Wind
raschelte in den Bäumen, keine Tiere bellten, schrien oder heulten.
Vielleicht war den anderen die ungewöhnliche Stille aufgefallen, oder vielleicht verspürten sie nur ein eigenartiges Gefühl, ohne die Quelle zu erkennen, aber sie alle schauten suchend zu den Bäumen hoch oder blickten sich um. Viele von ihnen runzelten die Stirn. Nervöse Blicke wurden getauscht. Ein Magier winkte mit dem Finger, und sein Meisterschüler ritt näher heran, sodass sie ein gemurmeltes Gespräch führen konnten.
Tessia versicherte sich, dass der magische Schild, mit dem sie sich selbst und ihr Pferd umgab, stark und umfassend war. Sie alle ritten jeden Tag innerhalb eines solchen Schildes, vorbereitet für den Fall eines unerwarteten Angriffs. Bei Nacht wechselten sie sich ab, um ihr Lager mit Schilden zu schützen, falls sie gezwungen waren, draußen zu schlafen, oder in dem Dorf oder Weiler, den sie am Abend zuvor erreicht hatten, Wache zu halten und zu patrouillieren.
Eine Gestalt erschien vor ihnen auf dem Weg und kam tapfer herbeigelaufen. Tessia erkannte einen der Späher, die jeden Tag vorausgeschickt wurden. Lord Dakon war, wie sie wusste, nicht glücklich darüber, dass sie Nichtmagier für diese Arbeit einsetzten, da sie sich, falls die Sachakaner sie fanden, nicht verteidigen konnten, aber wenn sich einer der Magier allein hinauswagte und mehr als einem einzigen Feind begegnete oder einem Sachakaner von größerer Macht, war es genauso wahrscheinlich, dass er umkommen würde. Und es gab erheblich weniger Magier als Nichtmagier. Die Miene des Mannes war grimmig. Er blieb vor dem ersten der Magier stehen, begann leise zu sprechen und deutete in die Richtung, aus der er gekommen war. Langsam wurde die Nachricht weitergegeben, ein Murmeln, das von einer Person zur nächsten wanderte.
»Vor uns steht ein Haus«, erklärte Dakon Tessia und Jayan. »Von den Bewohnern sind alle bis auf einen vor kurzem ermordet worden. Der Überlebende wird wahrscheinlich nicht mehr lange durchhalten.«
»Werden wir vorausreiten und uns umsehen?«, fragte Tessia. »Vielleicht kann ich dieser Person helfen.«
Er blickte nachdenklich drein, dann trieb er sein Pferd weiter. Lord Narvelan und Werrin waren zu den inoffiziellen Anführern der Gruppe geworden, obwohl ihre
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