Magie
Diese Bereitschaft, selbst dem Niedrigsten der Niedrigen zu helfen, war einer der Charakterzüge, die sie am meisten an ihm schätzte. Während der vergangenen Wochen war sie zu der Erkenntnis gekommen, dass dieses Mitgefühl bei Magiern etwas Seltenes war.
»Ist das klug? Ihr werdet alle Kraft, die Ihr habt, benötigen, falls Ihr gegen die Sachakaner kämpfen müsst«, meldete Jayan sich zu Wort. Als Tessia ihn tadelnd ansah, verzog er das Gesicht. »Wenn wir einen Mann retten, könnte das uns das Leben kosten, was wiederum viele weitere Leben kosten könnte.«
Er hatte nicht unrecht, wie sie widerwillig zugeben musste. Die brutale Nüchternheit seiner Bemerkung betonte nur, wie sehr er sich von Lord Dakon unterschied. Kalter, ehrlicher, gesunder Menschenverstand war nicht so liebenswert wie warme, hoffnungsvolle Großzügigkeit. Dennoch war diese Haltung an die Stelle von Jayans früherer Geringschätzung und Arroganz getreten und hatte ihm eine Reife verliehen, die sie zuvor nicht bei ihm wahrgenommen hatte, und sie musste zugeben, dass ihre Abneigung gegen ihn inzwischen ein wenig geringer geworden war. Aber nur ein wenig.
Dakon richtete sich auf und seufzte. »Ich nehme an, es würde nicht viel Energie kosten, einen Sterbenden auf diese Weise zu befähigen, weiterzuleben und sich langsam wieder zu erholen. Ein winziger Teil dessen, was ich jeden Abend von
euch beiden nehme - und so leicht zu ersetzen. Ich würde es nicht für gefährlich halten, es sei denn, wir wären in einer verzweifelten Situation.«
Jayan nickte zufrieden. Als sie aufstanden und das Haus verließen, verspürte Tessia eine erschöpfende Traurigkeit. An alle Menschen, die in Dörfern oder Bauernhöfen lebten, in den Hütten der Wälder und Berge der Lehen, die an Sachaka grenzten, waren Botschaften ergangen; man riet ihnen, in den Süden zu ziehen, bis die Sachakaner aus Kyralia vertrieben waren. Aber viele Menschen waren geblieben, denn ihr Leben hing davon ab, dass sie die Frühjahrsernte aussäten, auf die Jagd gingen oder andere Dinge taten, um sich ein Einkommen zu sichern. Sie waren leichte Beute für die Eindringlinge.
Während die kleine Gruppe wieder aufsaß und zu dem großen Tross zurückkehrte, lauschte Tessia auf das leise Gespräch der Magier, die darüber redeten, wie lange der Angriff auf das Haus zurückliegen mochte. Sie hatten mehrere Lagerplätze der Feinde und auch deren Opfer gefunden, aber bisher keinen einzigen Sachakaner angetroffen. Vermutlich, so überlegte Tessia, rechneten die Magier schon seit Wochen mit einem direkten Angriff der Sachakaner und waren verwirrt, dass bisher noch nichts dergleichen geschehen war. Einige von ihnen stellten Spekulationen darüber an, dass Takado und seine Verbündeten bisher vielleicht deshalb gezögert hatten, weil sie noch zu wenige waren. Deshalb wollten sich die kyralischen Magier jetzt in kleinere Gruppen aufteilen, um die Sachakaner aus der Reserve zu locken. Die Gruppen sollten einander aber nahe genug bleiben, um sich im Fall eines Angriffs gegenseitig Beistand zu leisten.
Aber, wie Jayan festgestellt hatte, die Sachakaner würden nicht angreifen, solange sie nicht das Gefühl hatten, den Sieg davontragen zu können. Sie würden eine kleinere Gruppe nicht angreifen, wenn eine andere nahe genug war, um sich ihr anzuschließen.
Also locken sie uns in die Berge, entwischen immer wieder und töten unterdessen gewöhnliche Kyralier. Sie werden immer stärker, während jeder unserer Magier nur einen Meisterschüler hat, von
dem er Kraft beziehen kann - und das gilt auch nur für jene unter ihnen, die überhaupt einen Schüler haben.
Von allen Meisterschülern wurde erwartet, dass sie in der Nähe ihrer Meister blieben. Dies diente zum einen ihrem eigenen Schutz und stellte zum anderen sicher, dass dem Magier im Notfall eine Quelle für zusätzliche Macht zur Verfügung stand. Das Thema Stärke war ein weiteres Thema, das die kyralischen Magier ständig erörterten. Sie konnten nicht wissen, ob sie über ebenso viel gehortete Magie verfügten wie die Sachakaner. Sie überlegten, wie viel Macht ein einzelner Sachakaner von Sklaven beziehen konnte und wie viele Sklaven die Sachakaner bei sich haben mochten. Außerdem versuchten sie zu berechnen, über wie viel Macht jeder einzelne von ihnen verfügte.
Allabendlich vollzog sich nun ein gleichbleibendes Ritual, wenn alle Magier Kraft von ihren Meisterschülern nahmen. Werrin und Narvelan hatten keine Schüler, obwohl Werrin
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