Magie
ihr Kleid bis zur Taille aufgeknöpft war und man ihr Unterhemd darunter sehen konnte. Hastig richtete sie sich auf und wandte sich ab, damit er nicht beobachten konnte, wie sie ihr Kleid wieder zuknöpfte.
»Was ist passiert?«, wiederholte er, sanfter diesmal.
Tessia holte Luft, um zu antworten, aber die Worte wollten nicht herauskommen. Euer Gast hat versucht, mir seinen Willen
aufzuzwingen, teilte sie ihm wortlos mit. Aber sie stellte fest, dass der Sachakaner recht gehabt hatte. Sie wollte nicht, dass irgendjemand davon erfuhr. Nicht, wenn auch nur das geringste Risiko bestand, dass ihre Mutter davon hörte. Wie ihr Vater immer sagte: In dieser winzigen Gemeinschaft gab es so etwas wie ein Geheimnis nicht.
Und tatsächlich war ihr auch nichts passiert. Nun, nichts von den Dingen, die der Sachakaner im Sinn gehabt zu haben schien, ging es ihr durch den Kopf. Sie stand auf und betrachtete die versengten Wände. Ich habe keine Ahnung, warum er das getan hat.
Sie drehte sich wieder zu Dakon um, sah ihm jedoch nicht in die Augen. »Ich... ich war unhöflich. Er war verärgert. Ich entschuldige mich für... das Durcheinander, Lord Dakon.« Sie hob die Tasche ihres Vaters auf und wandte sich ab, hielt dann jedoch noch einmal inne, um hinzuzufügen: »Die Verletzungen des Sklaven heilen gut.«
Er beobachtete sie, während sie an ihm vorbei in den Flur hinaustrat, und sagte nichts. Obwohl sie es nicht riskierte, ihn allzu genau anzusehen, weil sie seinem Blick nicht begegnen wollte, war die Art, wie er sie anstarrte, doch irgendwie seltsam. Sie eilte zur Dienstbotentreppe und lief hinunter. Cannia stand in der Tür zur Küche. Die Frau sagte irgendetwas, als Tessia ging, aber Tessia verstand sie nicht richtig und wollte auch nicht stehen bleiben.
Das Sonnenlicht des späten Nachmittags war jetzt zu hell. Plötzlich verspürte Tessia nur noch eine ungeheure Erschöpfung. Sie eilte die Straße entlang nach Hause und blieb nur kurz stehen, um ihren Mut zusammenzunehmen, bevor sie eintrat, dann öffnete sie die Tür.
Ihre Eltern waren in der Küche. Als sie hereinkam, blickten sie beide auf. Ihre Mutter runzelte die Stirn, und ihr Vater schien ein Lächeln zu unterdrücken, als sie ihm die Tasche vor die Füße stellte.
»Der Sklave erholt sich gut. Ich werde mich jetzt ein wenig hinlegen«, erklärte sie, und bevor ihre Eltern etwas erwidern konnten, marschierte sie aus der Küche und die Treppe hinauf.
Niemand kam ihr hinterher. Sie hörte leise Stimmen aus der Küche, blieb aber nicht stehen, um zu lauschen. Sie trat in ihr Zimmer und warf sich auf ihr Bett, und zu ihrer Überraschung entrang sich ihr ein Schluchzen.
Was tue ich denn? Werde ich weinen wie ein Kind? Sie rollte sich auf die Seite, holte tief Atem und kämpfte die Tränen nieder. Es ist nichts passiert.
Aber es hätte etwas passieren können. Ihr Verstand schreckte vor dieser Möglichkeit zurück, und stattdessen stieg in ihr die Erinnerung an geschwärzte Wände auf. Etwas anderes war passiert. Nicht das, was der Sachakaner beabsichtigt hatte. Etwas Machtvolles und Zerstörerisches. Aber was? Magie? Plötzlich ergab alles einen Sinn. Lord Dakon. Er musste etwas gehört haben und war zu ihrer Rettung gekommen.
Aber er ist erst eingetroffen, nachdem es geschehen war.
Das bedeutete nicht, dass er nicht von einem anderen Teil des Hauses aus eingegriffen haben konnte. Das würde die Zerstörung erklären. Der Magier hätte den Raum nicht derart verwüstet, hätte er sehen können, wohin er seine Macht richtete. Er hatte blind gearbeitet.
Ich schulde ihm Dank, dachte sie. Er hat eine Menge teurer Dinge zerstört, um mich zu retten. Kein Wunder, dass er mich so eigenartig angesehen hat. Er hat ein Wort des Dankes erwartet, und ich bin lediglich nach Hause gestürmt.
Sie holte tief Atem und stieß die Luft langsam wieder aus. Zumindest war es ihr gelungen, vorher den Sklaven zu behandeln. Beim nächsten Mal würde sie nicht allein ins Herrenhaus gehen. Sie würde jeden Augenblick, den sie dort war, an der Seite ihres Vaters bleiben. Schließlich schloss sie die Augen, ergab sich der Erschöpfung und schlief ein.
4
J etzt, da der Schmerz ein wenig verebbt war, konnte Hanara wieder denken, obwohl seine Gedanken träge und verschwommen waren von der Droge, die die Heilerin ihm gegeben hatte. Doch er war sich nicht sicher, ob das Denken zu seinem Vorteil war. Es gab keine Richtung, in die er seinen Geist wandern lassen konnte, ohne Furcht und Schmerz zu
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