Magie
finden.
Er hatte nie gern zurückgeblickt. Die Vergangenheit war voller böser Erinnerungen, und die guten erfüllten ihn mit Verbitterung. Seine gegenwärtige Situation war kaum eine, die ihm angenehme Ablenkungen bot. Selbst wenn nicht jede Bewegung quälende Schmerzen durch seinen Körper gesandt hätte, hätte er nicht aufstehen können. Er war von so vielen Verbänden derart eingeschnürt, dass man ihn ebenso gut hätte fesseln und knebeln können.
Die Betrachtung der Zukunft war noch unerfreulicher. Die Dienstfrau, die ihm zu essen gegeben hatte, hatte ihm bei ihrem letzten Besuch erzählt, dass sein Herr abgereist war. Takado war fort, hatte sie gesagt und hinzugefügt, dass er nach Sachaka zurückkehren würde.
Sie hatte Hanara gesagt, dass er jetzt sicher sei.
Sie hat ja keine Ahnung, dachte er. Keiner von diesen Kyraliern weiß Bescheid, vielleicht mit Ausnahme des Magiers, Lord Dakon. Takado wird zurückkommen. Er muss es tun.
Sachakaner schenken gewöhnlichen Sklaven niemals ihre Freiheit, und erst recht ließen sie keine Sklaven frei, die ihnen als Quelle ihrer magischen Macht dienten. Sie ließen sie auch niemals im feindlichen Territorium zurück. Zumindest nicht lebend.
Wenn er zurückkommt, wird er mich entweder mitnehmen oder töten.
Sollte Hanara bis zu diesem Zeitpunkt nicht so weit genesen sein, dass er Takado von Nutzen wäre, war Letzteres die wahrscheinlichere Möglichkeit. Kein Sachakaner verschwendete Zeit darauf, die Wunden eines Sklaven zu versorgen oder zu warten, während der Sklave sich mühte, Schritt zu halten, keine Sachakaner fand sich mit einem Sklaven ab, der zu schwach oder zu verkrüppelt war, um seinem Herrn vernünftig dienen zu können.
Hätten die Heiler so hart gearbeitet, wenn sie wüssten, dass ihre Bemühungen möglicherweise verschwendet waren?
Bei der Erinnerung an die junge Frau verspürte Hanara ein seltsames Ziehen im Leib. Ihre Berührung war sanft gewesen, ihre Worte freundlich. In seinem Heimatland gab es Menschen wie sie nicht. Nur in diesem Land war es für eine Frau ihres Alters möglich, so ohne Arg und Verbitterung zu sein.
Sie war wie all die guten Dinge, die er in diesem Land gesehen hatte und die ihn mit Sehnsucht erfüllten, auch wenn er sie verachtete. Er wünschte, Takado wäre niemals nach Kyralia gereist. Die Heilerin und Kyralia ähnelten sich: jung, frei, auf wunderbare Weise ahnungslos, was ihr eigenes Glück betraf. Es war schwer vorstellbar, dass sie sich jemals gegen die grausame Macht sachakanischer Magie zur Wehr setzen könnten, doch selbst sein Herr hatte zugegeben, dass Kyralier im Angesicht einer Bedrohung »aufreizend robust« sein konnten.
Takado. Er wird zurückkommen.
Obwohl Sklaven von Hanaras Wert nicht alltäglich waren, waren sie doch nicht unersetzbar. Takado würde bei seiner Rückkehr nach Sachaka all seine Sklaven prüfen und wahrscheinlich einen mit genug latenter Magie finden, um ihn zu seinem neuen Quellsklaven zu machen. Schließlich hatte Takado nach der Entdeckung von Hanaras latentem Talent dafür Sorge getragen, dass sein Quellsklave jede Menge Nachkömmlinge gezeugt hatte.
Hanara verspürte nur schwaches Mitleid für denjenigen unter seinen Nachkommen, den Takado auswählen würde. Er
hatte nie die Gelegenheit gehabt, eins seiner Kinder kennenzulernen. Er war sich nicht einmal sicher, welche der Kindsklaven seine waren. Das Leben eines Arbeitssklaven hatte so viele Nachteile wie das eines Quellsklaven. Das Leben aller Sklaven endete in der Regel abrupt, sei es durch Unfälle, Überarbeitung, die Grausamkeit eines Sklavenmeisters oder eine Laune ihrer Herren.
Warum sollte es mich kümmern, wer an meine Stelle tritt? Wenn man tot ist, ist man tot , dachte er. Und wenn Takado einen anderen Quellsklaven findet, wächst damit die Wahrscheinlichkeit, dass er mich bei seiner Rückkehr töten wird, wenn ich nicht schnell genug oder ausreichend wiederhergestellt bin.
Aber das konnte er nicht verhindern. Er konnte sich ja kaum bewegen. Im Grunde konnte er nur eins tun: still liegen und sich, wie er es sein Leben lang getan hatte, fragen, ob er den nächsten Tag überleben würde.
Die Miniaturgemälde waren verblüffend. Jayan betrachtete sie eingehend und fragte sich, warum sie ihm noch nie zuvor aufgefallen waren. Die winzigen Augen der Frau hatten sogar Wimpern, und er überlegte, mit welcher Art von Pinsel man so unmöglich dünne Linien zuwege bringen konnte. Ihre Wangen zeigten eine schwache Röte. Sie
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