Magie
er mit dem Freundeskreis verkehrt, habe ich keine andere Wahl, als es ebenfalls zu tun. Aber... ich werde tun, was ich kann, damit ich ein bloßer Beobachter bleibe.«
»Du solltest dir einen neuen Lehrer suchen«, sagte Karvelan, jedoch ohne Überzeugung. Er wusste, dass diese Entscheidung einmal mehr nicht bei seinem Sohn lag. Jayan stellte die Geduld des alten Mannes nicht auf die Probe, indem er ihn darauf hinwies.
»Ich werde tun, was ich kann«, wiederholte er.
»Beende deine Ausbildung«, sagte sein Vater. »Lass nicht zu, dass dieses Mädchen Lord Dakons ganze Aufmerksamkeit für sich in Anspruch nimmt. Sie hat weder einen guten Ruf noch Verbündete zu verlieren.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist verantwortungslos von deinem Meister, dich da hineinzuziehen.«
Jayan erwiderte nichts. Schweigen senkte sich herab, und als er glaubte, dass es lange genug gedauert hatte, um einen Themenwechsel zu rechtfertigen, fragte er, wie es seinem Bruder ging. Während sein Vater voller Stolz Velans Erfolge im Geschäft und bei den Frauen beschrieb, die vielleicht akzeptable Ehefrauen abgeben könnten, wanderten Jayans Gedanken zu Tessia.
Kein Ruf zu verlieren? überlegte er. Keine lästigen familiären Verpflichtungen, die sie abschütteln muss, das dürfte es wohl eher treffen. Und Bündnisse... Nach der Art zu schließen, wie sie und
Avaria sich gestern Abend nach ihrem Fest unterhalten haben, vermute ich, dass sie hier Freundschaften schließen wird. Noch dazu mit einigen besonders mächtigen Frauen der Stadt.
Und er hatte sich den Kopf darüber zerbrochen, ob man sie akzeptieren würde.
Plötzlich konnte er erkennen, welchen Reiz Tessia für die städtischen Gesellschaftsdamen haben musste. Eine Freundschaft mit ihr gefährdete keine Bündnisse. Als Tochter eines Dorfheilers war sie gebildet genug, um eine angenehme Gesellschaft zu versprechen, aber auch andersartig genug, um Unterhaltung zu bieten. Er konnte sogar erkennen, dass ihr Interesse an der Heilkunst und ihre Entschlossenheit, diesem Interesse nachzugehen, sie für die Damen der besseren Gesellschaft Imardins zu einer aufregenden Frau machte, die sie gern beobachteten und bewunderten.
Selbst wenn sie scheiterte, würde sie für die Reichen und Gelangweilten eine Abwechslung darstellen. Und wie in Jayans Fall würde ihre Magie zumindest sicherstellen, dass sie nicht allzu tief oder allzu hart fallen konnte.
Wir haben mehr gemeinsam, als ich dachte, überlegte er trocken. Falls einer von ihnen jemals in Ungnade fiel, war der andere vielleicht in der Lage, Unterstützung zu bieten, ein Gedanke, der ihm gefiel. Es ist immer einfacher, sich mit jemandem anzufreunden, mit dem man etwas gemeinsam hat. Ich hoffe nur, dass kein katastrophaler gesellschaftlicher Absturz vonnöten ist, bevor sie die Möglichkeit in Betracht zieht, dass ich ein Freund sein könnte.
Die Universität der Heiler sah genauso aus, wie Tessia es sich vorgestellt hatte. Ihr Vater hatte sie als ein »altes, aber eigenartiges Gebäude, das umliegende Häuser verschlungen hat, soweit es Gelegenheiten dazu gab und die finanziellen Mittel es zuließen« beschrieben. Es klang verwirrend und faszinierend, und das war es auch.
Auch wenn es sich um ein Gewirr miteinander verbundener Gebäude handelte, so waren sie doch alle in kyralischem Stil errichtet, sodass das Äußere einen einheitlichen Anblick bot. Im Innern hatte man das Gefühl, als durchstreife man ein
Wohnhaus, ohne jemals zu einem Hinterausgang zu gelangen. Schmale Flure kreuzten schmale Flure. Die Türen zu beiden Seiten der Gänge waren fast alle geschlossen, sodass nur wenig natürliches Licht hereinfiel. Stattdessen bezogen sie ihr Licht von dem warmen Schimmer etlicher Öllampen. Die wenigen Räume, in die Tessia einen Blick werfen konnte, waren nicht größer als die Küche im Haus ihrer Eltern und auf ähnliche Weise möbliert, mit Regalen an den Wänden, einem Tisch in der Mitte und einer Feuerstelle an einem Ende.
Kendaria führte sie zu dem Raum, in dem die Obduktionen vorgenommen wurden. Tessia konnte nicht umhin, sich zu fragen, wo die Heiler in diesen Gebäuden einen Raum finden konnten, der sowohl für ein Publikum von der Größe, wie ihre neue Freundin es ihr beschrieben hatte, und für einen Seziertisch Platz bot.
Dann traten sie durch eine Tür in eine eigenartige Kammer, die die Unterseite einer Holztreppe zu bilden schien, nur dass es eine sehr breite, zweigeteilte Holztreppe war. Tessia konnte Schritte
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