Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
einen Moment war ihm schwindelig.
Der Geruch nach Waldboden und Feuchtigkeit und Kälte, ein leises Zupfen und Zucken an den Augen. Er stand wieder auf. Blinzelnd hob er den Arm, was ein Ziehen verursachte. Der Stoff seines Umhangs war zerfetzt und verkohlt, und Blut quoll aus den Rissen. Die Haut darunter war verbrannt und rot.
Hinter ihm war der Kralik gelandet, unsanft, wie es schien, denn das Biest schüttelte sich kurz, ehe es den Kopf wandte und Lorgyn gar nicht mehr beachtete.
Lorgyns Blick stolperte in dieselbe Richtung.
Arlo.
Der Chronist stand neben einem Baum, die Arme ausgestreckt. Seine Finger sahen aus wie mit Pech bestrichen und waren leicht gekrümmt, als litte er Schmerzen. Mit großen Augen behielt er den Kralik im Blick, aus dessen Maul ein grausiges, gutturales Grollen brandete. Sein Ziel war eindeutig: Arlo.
Mit einem abgehackten Schrei fuhr dieser herum. Sein Frack verfing sich in einem abgebrochenen Ast. Ein reißendes Geräusch, dazu rudernde Arme sowie ein handtellergroßes Stück gefrorener Schnee – Arlo stürzte der Länge nach hin.
Der Kralik spannte die Muskeln zum Sprung.
Lorgyn ging in sich. Jetzt, da diese gemeinen Augen nicht mehr auf ihm ruhten, war auch der Bann gebrochen, den sie auf ihn gelegt hatten. Panik und Überraschung hatten die Tür zu seinem Erinnerungsvermögen zugeschlagen. Jetzt stand sie wieder offen.
Es gab ein Problem, und er brauchte eine Lösung. Darin war er gut. Beobachten, nachdenken, reagieren – Problem gelöst.
Er hob die Arme, ignorierte das Brennen von Schmerz und kanalisierte seine Kraft, die begierig seinem Ruf gehorchte.
Der Kralik sprang, als Arlo sich gerade auf den Rücken wälzte, er noch genug Zeit für Entsetzen hätte, ehe ihm die Krallen und Reißzähne die Kehle aufschlitzten.
Aus der Schneewechte, auf der Arlo ausgerutscht war, wuchs eine Lanze aus Eis.
Durch sein Momentum und Gewicht spießte sich der Kralik daran auf. Sie drang ihm unterhalb des massigen Halses in den Körper und trat knirschend am Nackenansatz aus, die Spitze rot von Blut, das aus dem zuckenden Körper quoll und den Waldboden tränkte. Nach einigem Röcheln erlosch der böse Glanz in den Augen, der Körper erschlaffte.
Nachdem die Laute erstorben waren, hörte Lorgyn nur sein eigenes Keuchen, das sich mit dem von Arlo verband, der wackelig auf die Beine kam und sich am Baum abstützte. Sein Gesicht war kalkweiß, die Sommersprossen im Kontrast dazu wie winzige Blutstropfen.
Lorgyns Gedanken wirbelten. „Du bist ein Zauberer!“, sagte er zwischen abgehackten Atemzügen.
„Kein richtiger“, schnaufte Arlo, der seinen Blick nicht von dem toten Kralik lösen wollte oder konnte.
Je länger Lorgyn dastand und die Angst abklang, desto besser begann sein Verstand zu arbeiten. Sowohl Arlos Verhalten als auch als auch seine Worte sowie der plötzliche Zauber zeichneten ein eindeutiges Bild.
„Du … du bist ein wilder Magier, hast nie eine Ausbildung genossen!“
„Es ist … schon lange nicht mehr geschehen“, blubberte Arlo und riss nun doch den Blick von dem Kralik los, um Lorgyn in einer stillen Bitte um Vergebung anzuschauen, als hätte er etwas Schreckliches angerichtet.
„Warum siehst du mich so an? Du hast mir das Leben gerettet!“
„Und du mir“, erwiderte Arlo.
Nach kurzem Zögern sagten sie beide unisono „Danke“, worüber Lorgyn plötzlich lachen musste. Auch Arlo gab ein schiefes Lächeln von sich und ging in einem Bogen am Kralik vorbei zu Lorgyn.
„Deine Schweißausbrüche und Unwohlsein, das war die Magie, nicht wahr?“
Arlo nickte und wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. „Ja.“
„Du wolltest weg, um dein Geheimnis nicht preiszugeben. Was hättest du mir erzählt, wenn du zurückgekommen wärst?“
„Ich habe manchmal … ähm … Probleme mit meinem Darm.“
„Verstehe.“ Schon wieder fühlte Lorgyn, wie ein Lachen an seinen Lippen zupfte. Warum fand er das Ganze plötzlich komisch? Wahrscheinlich lag es daran, dass sich sein Kopf so leicht anfühlte, als wolle er sich vom Rest des Körpers lösen und davonschweben.
Arlos Schmunzeln blieb auf halber Strecke hängen, und seine Augen weiteten sich erschrocken. „Du bist verletzt!“
„Ja“, sagte Lorgyn und hob den Arm ein bisschen an. Eine Welle aus Schmerz sengte eine brennende Spur bis in sein Gehirn. Zischend sog er die Luft ein und entspannte seine Muskeln. Nutzlos hing der Arm herab. So war es halbwegs erträglich.
„Du musst zu einem
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