Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
Wieso hatte Iros ihnen die Magie nicht einfach entrissen?
Auf der anderen Seite verketzerte jeder Priester die Magie. Wahrscheinlich war überhaupt kein Gott dafür verantwortlich, nicht für Magie noch alle anderen Geschehnisse auf der Welt: Man suchte nach Erklärungen für das, was man nicht verstand. Und was lag näher, als dafür eine göttliche Macht zu befleißigen? Hinter ihr konnte man sich verstecken, wenn man Angst hatte, man konnte auf ihr reiten, wenn der Wind günstig wehte, man konnte sie nutzen, um das Feuer von Scheiterhaufen zu entzünden.
Viele Gedanken. Das ist gleichermaßen deine Schwäche wie deine Stärke, Lorgyn.
Die Kälte biss in seine Haut, als er seine Wange gegen die Eingangstür presste und lauschte: keine Stimmen.
Er ging zu einem der Fenster, aus dem sich spärlicher Lichtschein ein paar Fuß in die Nacht wagte. Vorsichtig lugte er um den Rahmen.
Dieselbe junge, blonde Frau wie beim ersten Mal, als er hier gewesen war, saß am Empfang. Ihr Kopf ruhte seitlich auf ihren untergeschlagenen Armen. Die Augen waren geschlossen.
Er atmete durch und drückte die Klinke. Kein Quietschen.
Leise schob er sich durch den Spalt in den Raum.
Eine Diele knarzte.
Der Kopf der Frau hob sich, und sie rieb sich über das Gesicht.
Nach einem Schreckmoment reagierte Lorgyn. Er hatte sich vorbereitet.
Ein gemurmeltes Wort, ein Wischen der Hand, und aus einem angrenzenden Raum lief eine getigerte Katze.
Lorgyn schlich weiter.
Die Katze nahm Anlauf und sprang auf den Tresen.
Die Frau war nun wach und gähnte. „He, wen haben wir denn hier?“ Mit einem Lächeln streckte sie die Hand aus. Die Katze schnupperte daran und beäugte sie aufmerksam.
Die Frau reckte die Hand noch weiter, aber kurz bevor die Finger das Fell erreichten, wich die Katze zurück.
„Warum so scheu? Ich tu dir doch nichts.“
Die Aufmerksamkeit weiterhin auf das Tier gerichtet, achtete die Frau wie erhofft nicht darauf, was hinter ihr geschah, und so huschte Lorgyn an ihr vorbei zur Treppe. Ein Wischen der Hand, und die Katze sprang vom Tisch. Das unangenehme Geräusch von gleitenden Stuhlbeinen. Die Frau war aufgestanden und eilte in den Raum, in den die Katze wieder verschwunden war. Sie würde sie nicht finden, egal wie sehr sie suchte.
Lorgyn erklomm die Stufen, leise, sodass er hörte, ob jemand von oben kam.
Der Korridor, den er erreichte, war leer.
Vor Niams Tür blieb er stehen – und erstarrte.
Stimmen.
Er lauschte.
Eine Frau. Musste seine Geliebte sein. Dazwischen das röchelnde Gemurmel eines Mannes. Niam.
Das passte ja wunderbar! Um eine zweite Person musste er sich gar nicht mehr kümmern. Das Schicksal spielte in seine Hände.
Lorgyn lächelte.
Es muss ein kaltes, böses Lächeln sein, dachte er.
Mit angehaltenem Atem öffnete er die Tür und betrat den Raum.
In diesem Moment ging ihm auf, dass er einen Fehler begangen hatte. Er wusste nicht, wo Niams Freundin wohnte. In Iros´ Gnade ? Oder einem anderen Haus?
Dann sah Lorgyn das Fläschchen, das sie in der Hand hielt. Sie führte es an Niams verdorrte Lippen.
„Wartet!“, sagte Lorgyn.
Die Frau erschrak so heftig, dass ihr um ein Haar das Fläschchen entglitt.
„W-wer seid ihr?“, stammelte sie.
„Beruhigt euch. Ich werde nicht erzählen, was Ihr vorhabt.“
Sie schluckte. „Es ist … ein Freundschaftsdienst.“ Liebevoll sah sie auf Niam hinab, der dem Geschehen mit verhangenen Augen zu folgen versuchte, vom Schmerz offenbar so benebelt, dass er kaum etwas mitbekam.
Lorgyn musterte die Frau aufmerksam. Irgendetwas kitzelte seine Erinnerung. Das kunstfertig hochgesteckte Haar … Genau! Es war die Dame, mit der Aluna vor einiger Zeit im Badehaus geredet hatte.
„Was … macht Ihr hier eigentlich?“, fragte sie etwas zögerlich. „Ihr seid keiner der Pfleger.“
„Das ist wahr. Aber ich bin ein guter Freund Niams. Er bat mich um denselben Dienst, den Ihr zu verrichten gedenkt.“
„Aber er hat mir gesagt, dass …“
„Wo liegt Euer Zimmer? Ich geleite Euch dorthin zurück.“
„Am Ende des Ganges links.“ Die Frau schüttelte den Kopf. „Ich verstehe nicht ganz.“
„Gebt mir das Gift.“
Zögernd reichte die Frau es ihm. Trotzdem sah sie Lorgyn schief an, immer noch völlig konsterniert und überrumpelt. „Ich bin aber dazu bereit. Ich liebe ihn, wisst Ihr?“
Lorgyn stellte die Phiole auf den Beistelltisch neben Niams Bett, auf dem sich auch eine Karaffe dieses ekligen Gesöffs befand, von dem er ihn hatte
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