Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
Fahrer die beiden Reisekisten durch einen Nebeneingang schleppte, bis die kaiserliche Kutsche an ihm vorbeigerollt war. Neidisch hingen seine Augen an der Federung des Gefährts, die sanft schwingend und ohne ein Geräusch jede Unebenheit des Bodens schluckte.
Dass ein Gesandter des Kaisers der Akademie seine Aufwartung machte, konnte nur einen Grund haben: Lorgyn.
Hätte der Kerl nicht morgen eintreffen können, wenn ich schon längst mit Tralvis geredet habe? dachte Pergin missmutig. Um die Laune des Großmeisters dürfte es nicht zum Besten bestellt sein.
Nach einem schicksalsergebenen Blick in den Himmel, der die ersten zaghaften Schlieren der Abenddämmerung zeigte, machte sich Pergin auf den Weg.
Er durchmaß die Haupthalle, erklomm die Treppe und strebte durch den Korridor, der zu Tralvis´ Gemächern führte. Es herrschte eine gedämpfte Atmosphäre, niemand redete laut, nur verhuschtes Geflüster schwebte wie Rauch durch die Akademie. Zweifelsohne hatte sich die Kunde, dass ein Gesandter des Kaisers die Akademie beehrte, schneller verbreitet als eine Sturmbö. Obwohl dieses Ereignis in direktem Zusammenhang mit seiner Mission stand, fühlte er sich vom Rest der Akademie abgekapselt. Für ihn gab es keine Berührungspunkte mehr mit den täglichen Abläufen und Routinen. Er kam sich vor wie ein Schatten, der haltlos durch die Gänge driftete, ein bloßes Erinnerungsecho. Die Freude, zurück in der Akademie zu sein, legte sich mit jedem Schritt. Eigentlich wollte er nur nach Hause zu seiner Frau: keine Verpflichtungen, lange ausschlafen, schöne Spaziergänge, bei denen man sich am Schnee erfreute, statt ihn zu verfluchen, ein weiches Bett und die noch weichere Haut eines warmen Körpers neben sich …
Vor Tür des Großmeisters blieb er stehen. Für die Dauer eines Lidschlags überkam ihn der irrwitzige Gedanke, hier und jetzt seine Robe abzustreifen und der Akademie den Rücken zu kehren. Die Reise nach Kreves hatte ihn geschlaucht. Er war schlapp und müde, sein Kopf wie mit Decken ausgelegt. Sein altes Leben schien so unendlich weit weg, dass es schmerzte.
Leider gab es keinen Mittelweg, der sich an allen Unbilden vorbeischlängelte. Entweder er suchte wie Lorgyn das Weite – oder er suchte Lorgyn.
„Bringen wir es hinter uns“, murmelte er und klopfte.
„Wer ist da?“, kam es barsch von der anderen Seite. Danach erklang ein rachitisches Husten.
Das kann ja heiter werden.
„Pergin Farinas.“
„Herein!“
Pergin entledigte sich seines Umhangs – zu gut erinnerte er sich an die Schweißattacke in dem stickigen Raum kurz vor Reisebeginn –, drapierte ihn über den Arm und betrat Tralvis´ Amtsstube.
Beschissen wäre geprahlt, hatte Lorgyn einmal auf die Frage „Wie geht es dir?“ erwidert, als dieser mit einer schweren Erkältung und von Fieber gebeutelt daheim im Bett lag und Pergin ihn besuchte.
Dasselbe könnte Tralvis füglich behaupten, der in eine dicke Decke gehüllt an seinem Schreibtisch saß. Viel mehr Decke als Mensch, nur ein kleiner, vogeldürrer Kopf, der aus den Lagen herausblickte. Das Haar klebte wirr an der fiebrig glänzenden Stirn, und die erschöpften, tief in ihre Höhlen gesunkenen Augen zuckten zu der dampfenden Tasse Tee auf seinem Tisch, aber die Mühe, die Hand auszustrecken und danach zu greifen, erschien ihm wohl zu groß.
„Wie war Eure Reise?“, krächzte er und hustete fürchterlich.
„Beschwerlich.“
Zorn glomm in Tralvis´ Augen auf. „Das ist mir egal! Ich meinte damit, ob Ihr Erfolg hattet!“ Erneut musste er husten, diesmal so heftig, dass es den mageren Körper fast entzwei riss.
Geschieht dir ganz Recht, du alter Murrkopf!
„Geht es Euch nicht gut?“, fragte Pergin mit geheucheltem Mitleid.
Tralvis funkelte ihn an. „Ich könnte Bäume ausreißen!“ Er atmete tief durch und griff nun doch zum Tee. „Also?“
„Leider mussten wir aufgrund der schlechten Straßenbedingungen kurz vor Kreves kehrt machen.“
Tralvis verschluckte sich beinahe.
„War nur ein Scherz“, schickte Pergin nach.
Tralvis´ blasse Wangen wurden rot. „Habt Ihr in Kreves zu viel Rauschkraut geraucht oder was?“
Pergin senkte den Blick. Nicht weil er damit sein Fehlverhalten eingestehen wollte, sondern damit Tralvis sein Grinsen nicht bemerkte.
Was ist los mit mir? Hat mir die holprige Fahrt das Hirn zu sehr durchgeschüttelt?
„Verzeiht, Großmeister“, sagte er und sah wieder auf, „doch hat mir die strapaziöse Reise wohl mehr zugesetzt als
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