Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
kenntlich am schlichten, weißen Gewand ohne die stilisierte Sonne auf der Brust, wie nur Priester sie tragen durften, betrat plötzlich den Altarbereich und begann damit, die Requisiten der Messe wegzuräumen.
Da Lorgyn nicht gesehen hatte, wie er dorthin gelangt war, behielt er den jungen Mann im Auge, während dieser zwei große Kandelaber in die Hände nahm, die Flammen auspustete und sich zum Gehen wandte. Er verschwand hinter einer der Säulen, die den Altarbereich umkränzten.
Ein Laut folgte. Das gedämpfte Zufallen einer Tür?
Lorgyn trat neben Arlo, bugsierte ihn in eine der Sitzreihen und kniete sich hin, sein Kopf wie zum Gebet gebeugt, aber so, dass er den Altar weiterhin sah, wenn er die Augen nach oben drehte.
Arlo tat es ihm gleich.
„Wir warten, bis er zurückkehrt. Wenn wir hören, wie die Tür zufällt, gehen wir zum Altar.“
„Meinst … meinst du wirklich?“, fragte Arlo, seine Stimme vor Aufregung eine Oktave höher als sonst.
„Deswegen hast du mich hierher geschleppt, oder nicht?“
„Du gehst bitte voraus …“, piepste Arlo.
Lorgyn musste grinsen. Arlos Ängstlichkeit amüsierte ihn, obwohl er nicht wusste, warum. Er selbst war zwar angespannt, jedoch weit weniger als erwartet. Auf einer Tonleiter, die vom schrillen Kreischen totaler Feigheit bis zum dumpfen Trompetenstoß todesverachtenden Heldenmuts ging, rangierte er seiner Einschätzung nach im Mittelregister wohlklingenden Harfenspiels.
Unerlaubtes Eindringen in die der Öffentlichkeit verbotenen Räume eines Tempels sollte sein Herz eigentlich schneller schlagen lassen. Wo Angstschweiß an Händen und Stirn ausbrechen sollte, war nichts, kein einziger Tropfen. Warum war er so ruhig?
Wer zwei Menschenleben auf dem Gewissen hat, den bringt so etwas wie das hier nicht mehr aus der Fassung …
Es war grotesk, nein, mehr noch, ekelhaft, dass sich diese Erfahrung in Bezug auf das jetzige Vorhaben als vorteilhaft erwies.
Der Novize kehrte zurück, und Lorgyn brachte seine Gedanken zum Verstummen.
Diesmal griff er sich eine Opferschale und das Sonnensymbol, das in der Mitte des Altars stand, und ging wieder.
Lorgyn puffte Arlo in die Seite und stand auf.
„Uns wird sicher jemand sehen“, winselte Arlo.
„Sei still und komm mit!“, zischte Lorgyn und betrat den Mittelgang.
In diesem Moment hörte er wieder das Geräusch der Tür.
Einen Herzschlag später dröhnte vom Eingang her eine Stimme durch die Tempelhalle.
„Möge unser geliebter Hohepriester eingehen in Iros´ strahlendes Reich!“
Der Schrei war unglaublich laut, und während Lorgyn zum Altar eilte, warf er einen Blick zurück.
Jeder im Tempel hatte den Kopf in Richtung Eingang gedreht und versuchte einen Blick auf denjenigen zu ergattern, der hier so herumbrüllte.
Drei Stufen, ein paar lange Schritte, und schon befanden sie sich hinter jener Säule des Altarbereichs, wo der Novize verschwunden war.
Sofort sah Lorgyn die Tür und drückte dagegen. Ohne einen Laut schwang sie auf. Die Scharniere waren gut geölt, da man sicher nicht wollte, dass sie während der Messe quietschten.
Rechts von der Tür befand sich solider Stein, links ging es einen Gang entlang. Gerade sah er den weißen Gewandsaum des angehenden Priesters durch eine Tür huschen.
Er packte Arlo am Arm und zerrte ihn hinter sich her. Sie mussten an der Tür vorbei sein, ehe der Novize die Sachen abgestellt hatte und zurückkehrte.
Plötzlich ertönte ein Scheppern aus der Tür, gefolgt von einem Laut des Unmuts.
Mit Arlo im Schlepptau rauschte Lorgyn vorbei, riskierte lediglich einen flüchtigen Blick hinein. Der Novize kniete am Boden und hob irgendetwas auf.
Das Glück war ihnen hold.
„Hier rein“, flüsterte Lorgyn und drängte Arlo nach ein paar Metern in einen dunklen Raum, in dem er schemenhaft einen Tisch und Stühle erkannte.
Die Ohren gespitzt, flüsterte er: „Wir warten, bis er wieder zurück in die Haupthalle geht.“
Wenig später vernahm er sich entfernende Schritte. Als die Tür zum Altar zufiel, verließen sie das Zimmer und passierten weitere Räume. In einigen verwahrte man Vorräte, andere dienten als Unterkünfte oder Versammlungszimmer, und in einem verbarg sich eine kleine, aber schmucke Kapelle. Es war so still, dass Lorgyn der eigene Atem wie Donnergrollen vorkam. Offensichtlich waren bis auf den einen Novizen und den Greis im Tempel alle anderen Priester und Bediensteten bei der Prozession. Besser konnte es nicht laufen.
„Wo ist denn nur die
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