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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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stark!« Der Doge fuchtelte mit der Hand. »Lykanthrop und Moretta haben uns auf der nächsten Zusammenkunft von ihrem ›Erfolg‹ erzählt. Ich versuchte, sie eines besseren zu belehren. Sie taten so, als wären sie meiner Meinung und hätten es nicht eilig mit dem Selbstmord, trafen aber untereinander Absprache. Sie gingen gemeinsam aus dem Leben, aber nicht aus Liebe füreinander, sondern aus Liebe zum TOD … Abaddon hörte vor dem Tode die Stimme eines Tiers. Und was mit Ophelia geschah, ist vollends rätselhaft. Ich war bis kurz vor ihrem Ende mit ihr zusammen. Glauben Sie mir, sie dachte gar nicht daran, Schluß zu machen. Ganz im Gegenteil …«
    Er hüstelte verlegen. Ich habe Ihnen schon geschrieben, daß der alte Satyr ein Lüstling ist und sich gern die blinde Anbetung der Anwärterinnen zunutze macht – sie sind sämtlich in ihn verliebt. Man sagt, auch die verstorbene Moretta sei nicht um sein Bett herumgekommen. Aber das hat mit der Sache nichts zu tun.
    »Und unsere Löwin der Ekstase!« fuhr er fort. »Heute hat diese Dame mir zugeflüstert, daß der ›Zarewitsch Tod‹ sie galanter umwirbt als alle ihre zahlreichen Anhänger und ihr wunderbare Geschenke macht. Und bei ihr handelt es sich um eine bekannte Dichterin, die schon allerhand erlebt hat, nicht um ein dummes kleines Mädchen, das vor Dekadenz verrückt geworden ist.«
    |138| »Massenwahn?« mutmaßte der Stotterer stirnrunzelnd. »Eine Art ansteckende Krankheit? Solche Fälle sind der Psychiatrie bekannt. Dann ist Ihre Idee mit dem Klub schädlich – sie löst die Manie nicht auf, sondern konzentriert sie.«
    »Mein Gott, wieso denn Manie! Es ist ja noch viel schlimmer!«
    Der Doge sprang auf, doch so ungeschickt, daß er mit dem weiten Ärmel den Pokal umstieß, der zu Boden fiel und in Scherben ging. Dieser kleine Vorfall gab dem Gespräch eine andere Richtung.
    Der Stotterer holte ein Tuch hervor, bückte sich und klagte: »Ihr Schierling hat mir die Gamaschen verdorben.« (Schrieb ich Ihnen schon, daß er ein ausgemachter Dandy ist und sich nach der neuesten Londoner Mode kleidet?)
    »Ich bitte Sie, wieso denn Schierling«, murmelte der Doge zerstreut und krümmte sich fröstelnd. »Ein harmloses Schlafmittel. Wer den Malvasier getrunken hätte, wäre auf der Boulevardbank in den Schlaf der Gerechten gesunken. Und ich hätte anonym, per Telephon, den Krankenwagen gerufen. Im Krankenhaus wäre ihm der Magen ausgepumpt worden, und fertig. Die Anwärter und auch Sie hätten das für Pech gehalten, für die Einmischung des neidischen Schicksals.«
    Ich hatte den Eindruck, daß der Stotterer seinen Verdacht noch nicht endgültig aufgegeben hatte, denn in seiner Stimme schwang Argwohn mit: »Mal angenommen, das hätte geklappt. Doch was hätten Sie das nächste Mal gemacht, wenn wieder einem der Mitglieder der Totenkopf zugefallen wäre?«
    »Es gibt kein nächstes Mal. Und diesmal ist die Kugel auf ganz unbegreifliche Weise in das Fach mit dem Totenkopf geraten. Unter dem Nachbarfach, der Sieben, ist ein Magnet |139| angebracht. Die Kugel ist ja nur dünn vergoldet und ansonsten aus Eisen. Haben Sie gesehen, wie sie bei Caliban schon beinahe im Fach mit dem Totenkopf war und erst im letzten Moment zur Sieben hinüberrollte? Sonderbar, daß der Magnet bei Ihnen nicht funktioniert hat.«
    »Entweder ist der Magnet zu schwach oder meine Glückssträhne zu stark«, murmelte der Stotterer wie im Selbstgespräch. Dann sagte er zu dem Dogen: »Was Sie von der bösen Macht sagen, klingt unwahrscheinlich. Aber ich lebe lange genug auf der Welt, um zu wissen, daß manchmal auch ganz unwahrscheinliche Dinge geschehen. Da muß man Klarheit gewinnen … Hören Sie, Herr Prospero. Setzen Sie Ihre Tätigkeit fort, veranlassen Sie die Anwärter, Gedichte zu schreiben, kitzeln Sie die Nerven mit Ihrem Roulette, nur bringen Sie einen stärkeren Magneten an, damit sich der heutige Vorfall nicht wiederholt. Und ich, wenn Sie nichts dagegen haben, werde Ihre ›böse Macht‹ beobachten.«
    Der Doge rang flehend die Hände: »Ich habe nichts dagegen, ich flehe Sie an, mir zu helfen! Sonst verliere ich noch den Verstand!«
    »Dann sind wir also Verbündete. Sagen Sie den anderen, ich hätte den Wein getrunken, wäre auf dem Boulevard eingeschlafen, und ein Wohlmeinender hätte ungebeten den Krankenwagen gerufen.«
    Sie drückten einander die Hand. Ich retirierte eilig in die Diele und von da auf die Straße.
    Muß ich erklären, was für Gefühle mich jetzt

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