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Magier von Moskau

Magier von Moskau

Titel: Magier von Moskau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Akunin
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nichts zu tun. Es wird nützlich für Sie sein. Vielleicht kommen Sie dadurch zur Vernunft.‹
    Sein väterlicher Ton gefiel mir nicht, aber ich dachte an Ophelias unerklärlichen Selbstmord und vor allem an Loreley, ohne die unsere Zusammenkünfte nur noch halb so farbig sind. Und außerdem – soll ich nur in meinen vier Wänden sitzen und auf den Abend warten?
    ›Gut‹, sagte ich. ›Lösen wir das Rebus. Wann fangen wir an?‹
    ›Gleich morgen. Ich hole Sie um elf ab, seien Sie dann bitte abmarschbereit.‹
    Eines verstehe ich nicht: Ist er in mich verliebt oder nicht? Nach seiner zurückhaltenden und spöttischen Art zu urteilen überhaupt nicht. Aber vielleicht will er sich nur interessant machen? Handelt nach der idiotischen Maxime: ›Je weniger wir eine Frau lieben, desto besser gefallen wir ihr‹? Mir kann es egal sein, ich liebe ja Prospero. Trotzdem wüßte ich es gern.
    Die morgige Expedition – was bedeutet sie ihm? Das ist das eigentliche Rätsel.
    Na schön. Soll Herr Gendsi sein Rätsel lösen. Ich löse meins.«
     
    Mit dem Aufbruch am nächsten Tag um elf klappte es nicht, aber nicht weil Colombina verschlafen hätte oder nicht rechtzeitig fertig geworden wäre. Im Gegenteil, sie erwartete Prinz Gendsi gestiefelt und gespornt. Der kleine Luzifer hatte zu essen und zu trinken bekommen und raschelte in seinem großen Sperrholzkasten. Colombina hatte ihr |147| neues eindrucksvolles Gewand angelegt: den Beduinenburnus mit den Glöckchen (sie anzunähen hatte die halbe Nacht gedauert).
    Seine japanische Hoheit lobte höflich ihre Aufmachung, bat sie aber, etwas weniger Schrilles anzuziehen, da ihre Mission ein diskretes Auftreten erfordere. Also war er an ihrer Verspätung schuld.
    Colombina zog sich widerwillig um: blauer Irkutsker Rock, weiße Bluse, bescheidene graue Jacke und Baskenmütze – haargenau eine Studentin, fehlte nur noch die Brille. Aber Gendsi, dieser flügellahme Mensch, war zufrieden.
    Er war nicht allein gekommen, sondern mit seinem Japaner, Herrn Masa, der ihr diesmal förmlich vorgestellt wurde und unzählige Verbeugungen und Kratzfüße vollführte. Als Gendsi seinen Freitag als »scharfsinnigen und wertvollen Gehilfen« pries, warf sich der Asiat in die Brust, blies die glatten Backen auf und gewann Ähnlichkeit mit einem sorgsam geputzten Samowar.
    Sie bestiegen zu dritt die Droschke, wobei Colombina wie Königin Victoria an beiden Ellbogen gestützt wurde.
    »Wohin, zu Ophelia?« fragte sie.
    »Nein«, antwortete Gendsi, dann nannte er dem Kutscher die bekannte Adresse – Basmannaja-Straße, Mietshaus der Gesellschaft »Welikan«. »Wir beginnen mit Abaddon. Mir läßt das Tier keine Ruhe, das in der Selbstmordnacht heulte.«
    Beim Anblick des vierstöckigen grauen Blocks wurde dem Mädchen unheimlich – sie erinnerte sich an den Eisenhaken mit dem herabhängenden Strickende. Aber Gendsi ging nicht zum linken Aufgang, wo die Wohnung des verstorbenen Nikifor Sipjaga lag, sondern zum rechten.
    Sie stiegen hinauf bis ganz oben und läuteten an der Tür mit dem Schildchen »A. F. Stachowitsch, Kunstmaler«. |148| Colombina erinnerte sich, daß diesen Mann, Abaddons Nachbar, der Hausmeister erwähnt hatte, der in Luzifer einen Drachen zu sehen glaubte.
    Die Tür öffnete ein junger Mann, der fast bis an die Augen mit einem feuerroten Vollbart bewachsen war, zweifellos der Kunstmaler selbst, denn sein Kittel war von oben bis unten mit Farben bekleckert. In den Zähnen hielt er eine erloschene Pfeife.
    »Bitte tausendmal um Entschuldigung, Alexej Fjodorowitsch.« Gendsi lüpfte höflich den Zylinder (er hatte schon den Vor- und Vatersnamen in Erfahrung gebracht, ein ganz Gewitzter). »Wir sind Freunde Ihres Nachbarn, des viel zu früh verstorbenen Herrn Sipjaga. Wir möchten das Bild des t-traurigen Ereignisses rekonstruieren.«
    »Ja, schade um den Studiosus.« Stachowitsch seufzte und bat die Besucher mit einer Geste in die Wohnung. »Allerdings habe ich ihn kaum gekannt. Schließlich haben wir nicht Tür an Tür gewohnt. Kommen Sie rein, aber Vorsicht, bei mir herrscht Chaos.«
    Das war noch milde ausgedrückt. Die Wohnung war genauso groß wie die von Abaddon, aber vollgestellt mit Rahmen und Leinwänden, und der Fußboden war voller Müll: leere Flaschen, irgendwelche Lumpen, zusammengequetschte Farbtuben.
    Der Raum, der bei Abaddon das Schlafzimmer gewesen war, diente Stachowitsch als Atelier. Beim Fenster stand ein unvollendetes Bild, das eine Nackte auf einem roten

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