Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
die ein Magieanwender als Gefahr ansieht, leider nicht dazu neigen zu verschwinden, wenn man die Augen schließt und sich die Ohren zuhält. Aber Sie können ruhig im Wagen bleiben. Ist vielleicht auch besser so.«
Jonathan schluckte und schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall. Ich bin an Ihrer Seite.«
»Auch gut«, sagte Randolph mit einem Nicken. »Versuchen Sie, wenn es hart auf hart kommt, keine magischen Tricks. Damit machen Sie sich nur unglücklich. Hauen Sie Ihrem Gegner ganz einfach kräftig mit der Faust ins Gesicht. Sie werden sehen: Das wirkt auch bei Magiern.«
»Ich werde mein Bestes geben.« Trotz seiner Schreibtischtätigkeit war Jonathan kein Schwächling. Er achtete stets darauf, seinen Körper durch regelmäßige Leibesertüchtigung in Form zu halten. Dennoch wünschte er sich in diesem Augenblick, er hätte, statt immer nur zu rudern und zu fechten, seinerzeit in Cambridge etwas häufiger den Boxclub besucht. Robert war ein guter Boxer, aber Jonathan hatte den Faustkampf Mann gegen Mann immer als barbarisches Freizeitvergnügen abgetan. Nun bereute er es.
Langsam stiegen die Männer aus der Kutsche aus und traten zu Grigori, der noch immer auf dem Kutschbock saß und für einen Mann seiner Statur auf einmal erstaunlich ängstlich wirkte.
»Lassen Sie mich raten«, flüsterte Jonathan Randolph zu. »Er ist auch kein besonders guter Zauberer.«
»Weiter so«, brummte dieser leise. »Bald können Sie Holmes Konkurrenz machen.«
Angestrengt starrten die beiden Männer in die von den Gaslaternen mehr schlecht als recht erleuchtete Dunkelheit. Zur Rechten erhob sich eine Reihe dreigeschossiger Wohnhäuser, und zur Linken erstreckte sich ein schmiedeeiserner Zaun, hinter dem sich große Bäume als dunkle Umrisse im Nebel abzeichneten. Wenn Jonathan sich nicht irrte, waren sie ganz in der Nähe des British Museum, und die kleine kreisrunde und laternengesäumte Grünanlage musste der Bedford Square sein.
Vor ihnen bewegte sich etwas in den dichten Dunstschwaden. Es schienen zwei Gestalten zu sein, die sich ihnen gemächlich aus dem allgegenwärtigen Weiß näherten. Als der Schein einer nahen Straßenlaterne auf die beiden Körper fiel, stockte Jonathan der Atem.
»Oh, das ist nicht gut«, knurrte Randolph. »Gar nicht gut.«
Grigori wimmerte irgendetwas Unverständliches. Vielleicht betete er. Jonathan hätte dafür vollstes Verständnis gehabt, denn aus dem Schutz der Dunkelheit und des Nebels tauchten zwei Löwen auf. Sie waren sicher halb so groß wie ein Mann, und unter ihrem schmutzig weißen Fell spielten eindrucksvolle Muskeln. Bernsteinfarbenes Feuer glomm in dunklen Augenhöhlen, und aus den bedrohlich zur Hälfte geöffneten Mäulern drang ein kehliges Grollen.
»Wo kommen die denn her?«, fragte Jonathan erschrocken. »Hier ist nirgendwo ein Zoo.«
»Ich habe keinen Schimmer«, raunte Randolph zurück. »Jetzt bloß keine falsche Bewegung, oder wir sind Raubtierfutter.« Bedächtig klopfte er einem der beiden nervös mit den Hufen schlagenden Pferde auf die Flanke. »Ruhig«, murmelte er. »Ganz ruhig.«
Mit geschmeidigen Bewegungen kamen die beiden Löwen näher. Ein leise klickendes Geräusch wie von langen Krallen auf hartem Stein begleitete ihre Schritte. Doch irgendetwas stimmte in Jonathans Augen nicht mit den Tieren. Im ersten Moment vermochte er diesen Eindruck nicht zu begründen, doch als sein Blick auf die prachtvolle weißgraue Mähne fiel, die in eigentümlich stilisierten Wellen um die Köpfe der Löwen lag, begriff er, was anders war an diesen Tieren, und ein Schauer lief ihm über den Rücken. »Randolph«, flüsterte er. »Sie sind aus Stein. Es handelt sich um Steinlöwen, die irgendwie zum Leben erwacht sind. Eine Laune der Magie?«
»Unmöglich.«
»Doch. Sehen Sie nur den seltsamen Schnitt ihrer Mähne, die Maserung ihres Fells. Das war mal Granit. Und sitzen nicht vor dem Eingang des British Museum solche Löwenstatuen?«
Sein Begleiter fluchte. »Sie könnten wirklich recht haben. Das macht das Ganze nicht besser.« Er starrte die beiden Raubtiere mit finsterer Miene an.
»Wieso nutzen Sie keine Magie, um die Bestien abzuwehren?«, fragte Jonathan.
»Was soll ich machen? Eine Straßenlaterne nach ihnen werfen? Einen Baum?«
»Beispielsweise.«
Randolph schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, ich wäre zu langsam. Diese Untiere hingen uns an der Kehle, bevor ich auch nur eines von ihnen ausgeschaltet hätte.«
Jonathan schluckte. »Was machen wir dann?
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