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Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone

Titel: Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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tritt. Er trägt einen Dreispitz, einen Umhang, Reiterstiefel und ein Schwert an seiner Seite. Es heißt, der Graue Mann sei der Geist eines Unglücklichen, der einst erstochen wurde und dessen Skelett man 1848 in einem zugemauerten Nebenkorridor gefunden hat.«
    »Wie furchtbar!« Elisabeth schlug schockiert eine schlanke Hand vor den Mund.
    »Und was treibt dieser Graue Mann so?«, erkundigte sich sein Freund mit verschwörerischem Funkeln in den Augen. »Streift er des Nachts durch die Gänge, um nach einer armen, blutjungen Schauspielerin zu suchen, die sich nach ihrer ersten Vorstellung in den Gängen unter dem Theater verirrt hat, auf dass sie seine Totenbraut werde?«
    Jonathan blinzelte angesichts der makabren Fantasie seines Freundes irritiert. »Nein, keineswegs«, erwiderte er. »Im Gegenteil. Sein Erscheinen bringt einem Schauspieler oder einer Produktion angeblich sogar besonderes Glück. Wie auch das Auftauchen des Clowns Joseph Grimaldi, eines guten Geistes, der, so heißt es, schon mehr als einmal nervösen Schauspielern auf der Bühne beigestanden hat.«
    »Das klingt doch ganz reizend«, stellte Sarah an Roberts Seite fest, und ihr mädchenhaft rundes Gesicht mit den bezaubernd geröteten Wangen und der kecken Andeutung von Sommersprossen rund um die kleine, hübsche Nase wurde von einem Lächeln erhellt.
    Robert seufzte theatralisch. »Jon, mein Junge, du musst noch viel darüber lernen, wie man eine Spukgeschichte in der Gegenwart von Damen richtig erzählt.«
    Jonathan beschloss, nichts darauf zu antworten. Stattdessen räusperte er sich und blickte sich um. »Soll ich uns eine Kutsche rufen, die erst die Damen und dann uns nach Hause bringt?«
    »Ach, wollen wir nicht noch ein paar Schritte gehen?«, schlug Sarah vor. »Nur den Strand hinunter bis zum Trafalgar Square. Dort nehmen wir eine Kutsche. Was meinst du, Elisabeth? Bitte!«
    »Ist den Damen auch wirklich nicht zu kalt?«, fragte Jonathan mit besorgtem Blick auf die Garderobe seiner Begleiterin. Sowohl Sarah als auch Elisabeth trugen ein bodenlanges, hochgeschlossenes Kleid mit schmaler Taille und ausgestellten Ärmeln, wie es im Augenblick in Mode war – und beide sahen darin im Übrigen ganz reizend aus –, aber obschon im Gegensatz zu anderen Nächten kaum mehr als ein feiner Nebeldunst in den Straßen hing, wäre es übertrieben gewesen, von einem warmen Frühlingsabend zu sprechen.
    Elisabeth schien von dem Wunsch ihrer blond gelockten Freundin nicht recht erbaut zu sein, doch ihr Zögern dauerte nur einen Herzschlag lang. Dann schenkte sie Jonathan ein charmantes Lächeln und sagte: »Bis zum Trafalgar Square werden wir sicher nicht erfroren sein.«
    »Prachtvoll!«, rief Robert und drückte Sarahs Arm. »Meine Damen, mein Herr, mir nach!«
    Die zwei Paare spazierten die Straße hinunter zum Strand und bogen dann nach links ab in Richtung Trafalgar Square. Auf der beliebten Theatermeile herrschte noch reges Treiben, wenngleich es vor allem Kutscher und Chauffeure waren, die, bei ihren Fuhrwerken und Motorwagen stehend, darauf warteten, dass die gehobene Schicht Londons aus den Vorstellungen im Adelphi, dem Lyceum oder einem der vielen anderen Häuser zurückkehrte, um nach Hause oder vielleicht noch zu einer mitternächtlichen Tanzveranstaltung gebracht zu werden.
    Obwohl er für einen alleinstehenden jungen Mann kein schlechtes Leben führte, verspürte Jonathan manchmal einen Anflug von Neid, wenn er das vergnügliche, sorglose Leben sah, das gewisse Kreise in der Metropole führten und über das zu berichten ihm gelegentlich gestattet war. Am heutigen Abend allerdings hatte er keinen Blick für die edlen Vierspänner und ihre Lenker, die mitunter mit unverhohlener Arroganz vom Kutschbock auf das gemeine Volk herunterschauten. Stattdessen lag sein Auge, so oft es sich, ohne aufdringlich zu wirken, geziemte, auf Elisabeth, und er bewunderte ihre anmutigen, beinahe aristokratisch wirkenden Züge und ihr langes kastanienbraunes Haar, das kunstvoll hochgesteckt war und im Schein der Straßenbeleuchtung glänzte.
    Es war das erste Mal, dass er mehr als nur einen Augenblick Zeit hatte, ihre Gesellschaft zu genießen. Wenn sie sich in der Redaktion des Strand Magazine begegneten, war Jonathan meist in Eile. Es gab immer einen Termin wahrzunehmen oder einen Artikel zu schreiben. Außerdem achtete Norman Greenhough streng darauf, dass die beiden jungen Damen seine Untergebenen nicht von ihrer Arbeit ablenkten. So waren ihm die beiden

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