Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone
Donnerstagmorgen damit verbracht, die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten des diamantenen Kronjubiläums der Queen zu überwachen. Am Nachmittag fuhr er nach Sandringham, und es wird berichtet, dass er empört war, die gesamte Route der Parade in der Hand von Spekulanten und das Jubiläum der Queen praktisch zur Auktion freigegeben vorzufinden!«
– New York Times, 17. April 1897
18. April 1897, 21:12 Uhr GMT (knapp eine Stunde früher)
England, London, Theater an der Drury Lane
Der Abend war kühl geworden, als sie zu viert unter den Kolonnaden des Theaters an der Drury Lane auf die Straße hinaustraten. Sarah hatte sich bei Robert untergehakt, Elisabeth bei Jonathan. Um sie herum schwärmten die vielen Hundert anderen Gäste der Abendvorstellung hinaus in die Londoner Nacht, lachend und schwatzend und noch sichtlich eingenommen von dem großartigen Spektakel, das ihnen geboten worden war.
»Das war eine wundervolle Idee von Ihnen, Jonathan, heute Abend hier hinzugehen«, schwärmte Elisabeth gut gelaunt und drückte seinen Arm.
»Finden Sie?« Jonathan räusperte sich verlegen. »Nun, äh, danke.«
»Also, ich frage mich wirklich, wohin das noch führen soll«, warf Robert mit gespielter Entrüstung ein. »Das ist doch kein Theater mehr, was man dem Publikum in diesem Haus darbietet. Das ist eine Jahrmarktsattraktion – wenn auch eine recht kostspielige. Aber was kommt als Nächstes? Veranstalten sie Pferderennen auf der Bühne, oder lassen sie eine Dampflokomotive einmal quer durch den Saal fahren?« Er schüttelte den Kopf. »Oh nein, mein Herr. Das kann ich nicht gutheißen. Wo bleiben das menschliche Drama, die hohe Schauspielkunst? Sein oder Nichtsein? Große Effekte sind nicht alles, meine Lieben.«
»Seltsam, aber ich glaube mich zu erinnern, dass du am lautesten geklatscht hast, als das Feuerwerk am Ende einsetzte«, bemerkte Jonathan trocken.
Der schlanke junge Mann mit dem kastanienbraunen Haar, den blitzenden blauen Augen und dem feschen Schnurrbart hob scheinbar gerührt die Hand ans Herz. »Na so etwas! Wer hätte gedacht, dass dein Aug auf meiner knabenhaft schönen Gestalt ruht, während auf der Bühne der Weltuntergang inszeniert wird.«
»Robert!«, empörte sich Sarah, während ihm Jonathan einen bösen Blick zuwarf.
Sein Freund tat so, als sei er beschämt, doch gleich darauf brach er in Gelächter aus. »Keine Sorge, ich sage es nicht weiter.«
Jonathan Kentham seufzte innerlich. Wenn Robert Pennington in dieser ganz besonderen Stimmung war, aufgedreht und großmäulig, dann benahm er sich manchmal schlichtweg unmöglich. Trotzdem gelang es ihm immer wieder, dafür zu sorgen, dass niemand ihm sein ungehobeltes Gehabe wirklich übel nehmen konnte.
Sie kannten einander schon seit Jahren, hatten gemeinsam in Cambridge studiert und anschließend beide eine Stelle als Reporter beim Strand Magazine in London angetreten – Robert im Ressort Technik, Jonathan in der Redaktion, die über Berühmtheiten und Kuriositäten berichtete. Daher war der heutige Abend für Jonathan auch nicht nur Vergnügen, sondern zugleich Pflicht gewesen, denn er würde für die nächste Ausgabe des Magazins eine Kolumne über die neue Gigantomanie im Drury Lane verfassen. Robert hingegen, der sich eigentlich lieber auf Technikausstellungen oder auf Automobilteststrecken herumtrieb, hatte sich vor allem deshalb zu einem Theaterbesuch hinreißen lassen, weil es ihm die Möglichkeit geboten hatte, die adrette Miss Sarah Harker auszuführen. Sie war die Cousine des Chefredakteurs Norman Greenhough und stattete mit ihrer Freundin Elisabeth Holbrook dem Strand gelegentlich einen Besuch ab, um beim Korrekturlesen von Artikeln zu helfen und dabei heimlich schon vorab die neusten Episoden der Fortsetzungsgeschichten aus den Federn von Edith Nesbit und Grant Allen zu verschlingen. Und so wie es Jonathan schien, konnte sich der Freund über die bisherige Entwicklung dieses Abends eigentlich nicht beschweren.
»Wusstet ihr übrigens«, warf Jonathan ein und versuchte damit, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken, »dass es kaum ein Theater auf der Welt gibt, in dem mehr Geister umgehen als im Drury Lane?«
»Oho, jetzt kommen die Spukgeschichten, damit sich die Damen auf dem Heimweg auch recht eng an uns schmiegen«, rief Robert begeistert.
»Aber es ist trotzdem wahr!«, bekräftigte Jonathan. »Der berühmteste Geist ist der Graue Mann, der im Gewand eines Adligen aus dem späten 18. Jahrhundert in Erscheinung
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